Karneval der Toten
brauchen Sie denn keinen?«
»Doch«, sagte Cody. »Man braucht einen.« Er brach ein Stück von dem Würstchen ab und gab es Stone.
»Also, wieso gehen Sie dann dort ohne rein?« Die Hand mit dem Pfannenheber war inzwischen auf die Hüfte gestützt. Carol-Anne war entrüstet. In einem Strahl Sonnenlicht, der plötzlich wie eine Lanze über den Raum fiel, leuchtete ihr Haar flammend auf, als wollte es ob dieser Ungeheuerlichkeit ebenfalls gleich Feuer fangen.
Jury seufzte. »Das geht Sie überhaupt nichts an, Carol-Anne. Vergessen Sie’s.«
»Ah, verstehe. Na, warten Sie nur, bis Sie im Knast sitzen und Besuch haben wollen. Dann geht mich das auch nichts an.« Sie wirbelte herum und stürzte aufgebracht in die Küche zurück.
Jury rief ihr nach: »Ich könnte noch Würstchen vertragen.«
»Dann schlachten Sie sich ein Schwein.« Zwischen Topf- und Geschirrgeklapper fügte sie hinzu: »Was geht mich das an!«
Cody kicherte und fütterte Stone wieder mit einem Bissen Würstchen.
Dann war Carol-Anne mit der Pfanne wieder da und ließ zwei von den Würstchen auf Jurys Teller rollen. »Ganz zu schweigen davon, dass Sie Ihren Job verlieren können!« Das war nun die nahtlose Überleitung zum ärmlich bescheidenen Leben hier in der Gerrard Street. Jury, Cody und Stone kauten ihre Würstchen und musterten sie stumm.
»Es ist doch so: Wenn Sie ins Gefängnis kommen, setzt Mrs. Wasserman keinen Fuß mehr vor ihre Tür. Sie wissen doch, wie sie ist, wenn Sie nicht hier sind. Ach ja, ich selber komme schon zurecht, bis auf die Frage, wer dann Ihre Wohnung kriegt. Das muss nun wirklich gut überlegt sein.« Offensichtlich gewillt, es sofort zu überlegen, setzte sie sich neben Jury, den Pfannenheber immer noch gezückt und wie ein Fähnchen erhoben. »Vielleicht kommt jemand richtig Gefährliches, ein Verfolger, ein Belästiger oder sonst ein Verrückter, so einer mit weißer Jacke zum Beispiel, der behauptet, er ist Krankenpfleger in dem Krankenhaus, wo Sie damals waren, dabei ist es in Wirklichkeit der Serienkiller, der den Patienten die Todesspritze verpasst hat...«
Cody war völlig fasziniert. Jury musste an Schwester Bell denken.
»... der uns wahrscheinlich im Schlaf abmurksen würde.«
»Dann wechseln Sie das Schloss lieber nicht aus«, schlug Jury vor. »Sie haben ja einen Schlüssel, dann können Sie hereinkommen und sich umsehen, die Belästigungsausrüstung des Belästigers durchsuchen oder die Skalpelle und Injektionsspritzen inspizieren, die dem Krankenhausirren gehören.«
Ohne seinen Einwurf zur Kenntnis zu nehmen, redete sie weiter. »Oder vielleicht ist es eine alte Schlampe aus Soho oder King’s Cross, die im Zehn-Minuten-Takt Männerbesuch kriegt, oder womöglich kommt ein Drogendealer und verwandelt das Haus in eine Crackhöhle. Hm, auf Stan können wir uns nicht verlassen, der ist ja die meiste Zeit weg.« Damit wandte sie sich Cody zu, der eifrig damit beschäftigt war, sein Ei auf Toast zu verzehren. »Würde mich auch nicht wundern« – dabei schüttelte sie den Pfannenheber in seine Richtung – »wenn das alles auf Ihrem Mist gewachsen ist.«
Cody hörte auf zu kauen und musterte sie verblüfft.
»Ist es aber nicht«, sagte Jury. »Sondern ganz auf meinem.« Er lächelte und schob sich etwas gebratenes Ei in den Mund. »Also, am besten vergessen Sie, dass wir drüber geredet haben. Je weniger Sie wissen, umso besser.« Das, dachte er, war nämlich schon furchterregend genug.
»Ha, das ist ja nett! « Sie stand auf und reckte den Kopf zur Zimmerdecke, um ihren Gefühlen Luft zu machen. »Wirklich sehr nett ist das, jetzt soll ich womöglich verhört werden und Mrs. Wasserman wahrscheinlich auch noch. Sie haben uns also in Ihr dunkles Komplott mit reingezerrt, und jetzt sollen wir Ihre Helfershelfer sein!«
Jury blickte zwischen ihrem Teller und seinem hin und her. »Sind noch Würstchen da?«
Cody protestierte. »Ich komme mit rein.« Er wollte schon die Beifahrertür aufmachen.
Jury schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn wir es zu zweit versuchen, kommen wir nicht mal durch die Haustür. Überlegen Sie doch mal, Mann.«
Cody nickte. »Sie haben Recht. Aber -« Er warf Jury einen fast flehentlichen Blick zu, als wäre ihm wirklich daran gelegen, dabei mitzumachen.
»Keine Sorge. Sie werden rechtzeitig informiert.«
Die Frau, die ihm die Tür aufmachte, musste Irene Murchison sein. In Gedanken hatte er eine Frau vor sich, die ungefähr so aussah wie die dünne, streng
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