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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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gekommen, hatte sie mit scheinbar unsichtbaren Händen vor Phyllis und Jury hingestellt, war gekommen und gegangen, während Jury das sagte. Jury betrachtete seinen Salat und hatte plötzlich keinen Appetit mehr.
    »Es ist wegen Nell und diesen Mädchen, stimmt’s?«
    »Was?« Er hob fragend den Blick.
    Sie lächelte ihn an, ohne zu antworten. Und doch fühlte er sich durch ihre Frage seltsam getröstet. Vielleicht brauchte er einfach das Gefühl, dass jemand ihn verstand. Sein Appetit kehrte ebenso plötzlich zurück, wie er verschwunden war.
    Sie sagte: »Sie haben diese kleinen Mädchen gerettet.«
    »Ich habe sie vielleicht befreit, aber gerettet habe ich sie nicht.«
    »Ich weiß nicht. Es läuft wahrscheinlich auf ein- und dasselbe hinaus, Freiheit und Rettung. Vor der Hölle auf Erden haben Sie sie aber bestimmt gerettet.«
    »Eine vielleicht. Rosie heißt sie. Ich glaube, sie war die Einzige, die man noch keinem Mann hingeschmissen hatte wie ein Stück Fleisch. Rosie.« Bei der Erinnerung musste er lächeln.
    »Und jetzt kann sie niemand mehr irgendeinem Mann hinschmeißen, Richard. Sie sind ein enormes Risiko eingegangen. Haben Ihren Job, Ihre Zukunft aufs Spiel gesetzt. Sagen Sie jetzt nicht, Sie hätten mehr tun sollen.«
    Ein Salatblatt auf die Gabel nehmend, das mit einer ihm unbekannten Art von Nuss gekrönt war, versetzte Jury: »Ich hätte mehr tun sollen.«
    Phyllis lehnte sich in die Sitzbank zurück. »Sie hätten diese Murchison umbringen sollen? Wollen Sie das damit sagen?«
    »Hätte ich auch beinahe. Und es tut mir fast Leid, dass ich es nicht getan habe.«
    »Sie wird aber gebraucht, nicht wahr?«
    Jury trank seinen Wein. »Ja, wahrscheinlich. Sie ist das beste Verbindungsglied zu Baumann, obwohl es auch noch andere gibt: die Männer, die dort Stammkunden waren. Deren Namen wird sie preisgeben, wenn dabei etwas für sie herausspringt.«
    »Was werden Sie tun? Meinen Sie, Sie brauchen einen Anwalt?«
    »So weit voraus denke ich gar nicht. Für dieses ganze Getue um meinen Job habe ich gar keine Zeit. Morgen früh fahre ich wieder nach Cornwall.«
    Sie nickte. »Dann glauben Sie also, dieses kleine Mädchen ist noch am Leben?«
    »Vor ein paar Tagen glaubte ich es nicht. Jetzt schon.« Er wusste auch nicht warum, schließlich waren keine neuen Erkenntnisse aufgetaucht.
    Phyllis sah auf ihren Teller. »Sie nehmen diesen Fall sehr persönlich, nicht wahr?«
    »Kann schon sein. Wenn Sie so in Ihre Arbeit hineingezogen würden, was zum Teufel würden Sie dann tun?«
    Sie sah im Raum umher und wandte den Blick dann wieder ihm zu. »Ich glaube, ich würde mich übergeben.«

41
    »Wirklich clever, Superintendent«, sagte Viktor Baumann, hielt das Feuerzeug an die Zigarette, ließ es klicken und dann in der Westentasche verschwinden. Er nahm einen tiefen Zug. »Aber ich habe ja gehört, dass Sie ein cleverer Mann sind.«
    Sollte Jury ihn fragen, woher er das wusste? Wer Baumanns Kontakte waren? Vielleicht hatte er gar einen Informanten bei Scotland Yard? »So sehr auch wieder nicht, Mr. Baumann. Immerhin sitzen Sie ja noch unbehelligt an Ihrem Schreibtisch und rauchen.«
    Baumann setzte ein hintergründiges Lächeln auf, bei dem einem mehreres gleichzeitig in den Sinn kommen konnte – Charme, geschmeidige Freundlichkeit, Zerbrechlichkeit. Nichts deutete darauf hin, welch kalte Berechnung dahinter stand. Kein Wunder, dass er auf Frauen so anziehend wirkte – auf die hübsche Mary Scott, auf Lena Banks und sogar auf die grässliche Irene Murchison. Womöglich sogar auf kleine Mädchen, bis es zu spät war.
    »Kein Grund, weshalb ich mich nicht so fühlen sollte. Unbehelligt, meine ich. Wer auch immer diese Frau ist, die Sie da in Gewahrsam haben -«
    »Diese ›wer auch immer‹ kennt Sie offensichtlich.«
    »Was nicht heißen muss, dass ich sie kenne, oder?«
    »Wieso hätte sie tun sollen, was auf der Visitenkarte stand, wenn sie den Namen nicht kannte?« Jury hatte die Karte hervorgeholt und warf sie auf den Tisch.
    Baumann breitete die Arme aus, als wollte er das gesamte zweifelnde Universum umfassen. »Keine Ahnung. Hatte die Anweisung auf der Karte – fing es denn an mit ›Liebe...‹ – wie sagten Sie gleich, war ihr Name?«
    Verdammter Mistkerl. »Irene Murchison.«
    »Richtig. Also, stand darauf etwa ›Liebe Irene‹ et cetera?« Er beugte sich nach vorne. »Mr. Jury, sollte diese Karte als Beweismittel aufgeführt werden, würde man Sie und die Anklage lachend aus dem Gerichtssaal jagen.

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