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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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Für den Fall, dass Sie den ursprünglichen Zweck der Karte vergessen haben... meine Sekretärin Grace erinnert sich bestimmt daran. Sollen wir sie hereinholen?«
    Als Jury abwinkte, rückte die Hand von der Sprechanlage ab. »Was sagen Sie denn aber, wenn Irene Murchison redet?«
    »Die Murchison kann reden, bis sie schwarz wird. Das hat doch mit mir nichts zu tun. Auch ist, wie ich höre, Ihre eigene Rolle bei der ganzen Geschichte höchst vorschriftswidrig. Wie ich erfahren habe, soll es eine gerichtliche Untersuchung geben.« Da war wieder dieses Lächeln.
    »Was ist mit Ihrer Tochter geschehen?«, warf Jury ihm vor die Füße, damit dem Mann das Lächeln schlagartig verging (was auch geschah) und um Baumann möglichst so zu überraschen, dass er unbedacht reagierte.
    »Wie bitte?« Die gespielte Freundlichkeit wich nun eisigem Gebaren.
    »Ihre Tochter, Flora. Was ist mit ihr geschehen?«
    »Sie wissen, was geschehen ist. Das hatten wir doch schon besprochen.«
    »Stimmt, aber damals haben Sie es mir auch nicht verraten.«
    »Das ist doch lächerlich. Sie wurde entführt, wie Sie wissen.«
    »Von Ihnen?«
    »Natürlich nicht!«
    »Und was ist mit Lena Banks?«
    »Was soll mit ihr sein? Wir waren gut befreundet, ich bestreite nicht, sie zu kennen. Das habe ich auch nicht bestritten, als Sie sie zur Sprache brachten.«
    »Sie haben sie benutzt. Sie war es doch, die das Risiko einging, oder?«
    Baumann seufzte. »Mr. Jury, Sie sind gleichermaßen sentimental und dramatisch. Außerdem übersehen Sie zumindest eines: Lena Banks handelte in ihrem eigenen Interesse, nicht in meinem. Ich hatte keine Ahnung, dass sie zu den Scotts gehen würde.«
    »Welches Interesse sollte diese Frau an Declan Scott oder Angel Gate haben? Er kannte sie doch gar nicht. Niemand kannte sie.«
    Baumann erwiderte mit seidenweicher Stimme: »Sie scheinen genau das zu vergessen, was Sie mir gesagt haben – dass Lena Banks ihm nämlich unter einem anderen Namen bekannt war. War es nicht Fox? Georgina Fox? Sie hatte also doch ein Interesse an Mr. Scott, eines, von dem ich nichts wusste.« Er lehnte sich zurück, offenbar höchst zufrieden mit sich.
    Jury sagte nichts. Er verlor allmählich die Geduld. Dann dachte er an die kleine Alice Smith und fing sich wieder. »Sie können so selbstgefällig tun, wie Sie wollen, Mr. Baumann. Irene Murchison wird nicht ewig durchhalten. Das tun solche Leute nie.«
    Baumann schüttelte den Kopf und hielt den Mund so fest zusammengepresst, dass es aussah, als würde er gleich Revolverkugeln spucken. »So was nenne ich Schikane, Superintendent. Ich kenne übrigens den Polizeichef.«
    »Ich auch.«
    Zum ersten Mal wirkte Baumann unsicher und wütend. »Sie erwähnen Flora im Zusammenhang mit diesem Pädophilenring. Wollen Sie damit etwa andeuten, ich hätte Flora benutzt... für diesen...« Er erbleichte.
    Da war sie, die unbedachte Reaktion. Zwar brauchte Jury nicht extra davon überzeugt zu werden, dass Baumann diesen Ring betrieb, doch wäre er unschuldig gewesen, hätte er nicht den gedanklichen Sprung zu Flora gemacht. Unmöglich, es wäre undenkbar, dass ein Mann seine eigene Tochter auf dem Tablett servierte.
    Er versuchte sich wieder in seiner unbekümmerten Pose, wusste jedoch, dass er die Sache falsch angepackt hatte. »Für was für einen Narren halten Sie mich eigentlich?«
    Jury beugte sich näher zu ihm hin. »Was für einen, weiß ich nicht. Ich weiß bloß, dass Sie einer sind. Ein Mann, der von einem Drang, einem Zwang getrieben wird, ist per definitionem ein Narr, denn mit seiner Fähigkeit zu rationalem Handeln ist es aus und vorbei. Sie sind süchtig, Viktor, Sie sind süchtig nach kleinen Kindern, Sie brauchen sie, so wie ein Heroinsüchtiger sich die Nadel geben muss. Sie und die Männer, die Sie beliefern. Ihr Kinderschänderring. Ich wette, das sind lauter hochangesehene Geschäftsmänner, nicht so mächtig wie Sie, aber doch gut bekannt, gut betucht und gut vernetzt und echte Dreckschweine.« Jury beugte sich noch weiter über den Schreibtisch. »Und wenn es um Missbrauch geht, Viktor, ist der Ofen aber total aus. Sie benutzen kein Kokain, kein Heroin, keine Huren, Sie benutzen kleine Kinder, um ihre Sucht zu befriedigen, Sie und die übrigen kaputten Dreckskerle, die da zu Ihnen kommen. Dafür gibt es bei Dante nicht einmal einen Höllenkreis. Ich weiß es, ich habe nämlich nachgesehen. Glauben Sie aber bloß nicht einen Moment, Sie kämen ungestraft davon, Sie elender Scheißkerl.«

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