Karneval der Toten
wollen.« Sie deutete zu dem langen Tisch hinüber, an dem Lulu es sich bereits bequem gemacht hatte, mit dem Rücken zum Fenster, durch das gleißendes Sonnenlicht strömte und ihr glattes Haar wie Lakritz aussehen ließ.
Melrose setzte sich ihr gegenüber, um das Grundstück besser überblicken zu können. Der Teller mit den Sandwiches kam, Lulu nahm sich eines und biss genüsslich immer wieder davon ab. Nebenbei verabreichte sie Roy kleine Stückchen davon – zumindest vermutete Melrose, dass sie sie nicht einfach auf den Boden warf.
Rebecca Owen schenkte Melrose Kaffee ein und Lulu etwas, das nach Limonade aussah. Dann setzte sie sich hin.
Melrose sagte: »Ich habe eine Frage zu deinem Hund.«
Beide blickten ihn an, Rebecca Owen überraschter von der Frage als Lulu, die sich wahrscheinlich zu allem auf Gottes Erdboden eine Frage einfallen ließ.
»Wenn bei Nacht ein Räuber käme, wie würde man das denn merken, weil Roy Fremde ja nicht anbellt?«
Lulu guckte nachdenklich und schob ihre Brille auf dem Nasenrücken hoch. »Ich glaub, da würde sich Roy schon was einfallen lassen.« Sie trank ihre Limonade und beobachtete Melrose über den Rand ihres Glases hinweg.
Definitiv ein Geschöpf vom Schlage Pollys. Er wandte sich an Rebecca Owen. »Wie mir scheint, lässt Mr. Scott hier umfangreiche Arbeiten durchführen.« Er nickte zu der ihm gegenüberliegenden Fensterwand hin.
»Stimmt. Im Lauf der letzten Jahre ist alles ziemlich heruntergekommen, und jetzt hat er beschlossen, dass es schön hergerichtet werden soll.«
Das stieß Melrose aber auf. Sollte er etwa nicht viel mehr als ein Schönherrichter sein? Er sagte: »Hat er denn jemanden, der die Arbeiten überwacht? Oder bloß die Gärtner?«
»Er hat einen Landschaftsgärtner engagiert. Gartenarchitekt, nennt der sich, glaube ich. Heutzutage gibt es ja für alles Spezialisten, nicht?«
»Ja. Es ist schwer, noch Allroundkönner zu finden. Alle sind sie Spezialisten. Und Spezialisten, die sich noch zusätzlich spezialisiert haben. Es geht alles zum Teufel. O, Verzeihung...«
Lulu lächelte.
Zu Miss Owen sagte er: »Und Sie, haben Sie sich auf etwas spezialisiert?«
»Liebe Güte, nein. Ich bin hier Mädchen für alles: Köchin, Haushälterin, Türöffnerin – wenn Lulu es sich nicht in den Kopf setzt, selbst Begrüßungskomitee zu spielen.«
Rebecca Owen war eine attraktive Frau, die nicht viel Zeit vor dem Spiegel verbrachte. Er schätzte sie auf Ende Vierzig oder Anfang Fünfzig.
Lulu, die aussah wie das reinste Federgewicht, verspeiste mittlerweile ein Brunnenkressesandwich. Roy war unter dem Tisch hervorgekrochen, um sich steifbeinig neben Melrose’ Stuhl zu setzen. Woher kam es, dass Hunde bei anderen Leuten fröhlich herumtollten, während er bei ihnen bloß dieses stiere Starren hervorrief?
Er trank seinen Kaffee aus, aß sein Käsesandwich vollends auf, schob seinen Stuhl zurück und sagte: »Sagen Sie mir, wo meine Bleibe ist, dann ziehe ich los.«
»Natürlich. Lulu kann Sie zum Cottage begleiten, es ist gleich dort drüben.« Sie deutete quer durch den Garten.
»Okay«, sagte Lulu. »Ich kann Ihnen den Koffer tragen, wenn Sie wollen.«
»Kommt nicht in Frage. Ich bin viel kräftiger als du.« Melrose nahm seinen Koffer, und sie gingen hinaus.
Die Küche lag im linken Flügel des Hauses beziehungsweise nahm dessen gesamte Fläche ein. Sie durchquerten einen Innenhof und gingen mehrere breite, flache Terrassenstufen hinunter, durch die der Bereich darunter wie ein versunkener Garten wirkte. Sie kamen an einer Bronzeplastik von zwei Knaben mit Eimern vorbei. Der eine hielt seinen Eimer höher als Melrose’ Kopf und hätte ihn nass machen können, vorausgesetzt natürlich, es hätte Wasser gegeben und der Junge wäre lebendig gewesen. Melrose fand die Skulptur recht amüsant, eine angenehme Abwechslung zu den ewigen verhüllten, armlosen Mägdelein.
Lulu deutete ans andere Ende des Gartens. »Wir hatten hier einen Mord.«
In ihrem Tonfall klangen Triumph oder Stolz mit, so als hätte dieser Ort eine ganz fantastische Leistung vollbracht.
Er zeigte sich überrascht. »Du liebe Güte, wer wurde denn ermordet?«
»Das weiß niemand, nicht mal die Polizei.«
Sie gingen einen von Eibenhecken gesäumten Weg entlang, der sich mit mehreren anderen Wegen kreuzte. »Eure Gartenanlage ist ja wunderschön.«
»Ich mag es gern, wenn es schneit. Wenn Schnee auf den Hecken liegt und Schatten hin und her huschen.«
»Bekommt ihr in Cornwall
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