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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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»diese andere Frau« war einfach zu viel Konkurrenz für Lulu! Er fragte sich, wie viel Konkurrenz Flora wohl gewesen war.
    »Es war kurz vorm Tee. Wir machen gern Spiele, ich und Mr. Scott. Manchmal spielen wir auch Karten.«
    Das klang genau wie das, was sie über Flora und sich gesagt hatte. Wir haben die ganze Zeit miteinander gespielt . Melrose überkam plötzlich ein Gefühl der Traurigkeit beim Gedanken, dass dieses Kind ja ganz allein und verlassen war, ganz ohne Spielkameraden, und sich selbst unterhalten musste. Und das nichts anderes kannte als immer nur diese Erwachsenen. Offenbar kamen nicht einmal Schulkameraden hierher zu Besuch.
    »Na, dann magst du Mr. Scott ja bestimmt recht gut leiden.«
    Sie betrachtete den Erdboden und nickte so unmerklich, dass es ihm fast entgangen wäre, wenn er nicht extra darauf geachtet hätte. Es war, als müsste sie ein Geheimnis daraus machen, wie sehr sie Declan Scott mochte. Dann sagte sie: »Der beschützt mich nämlich. Vor dem Kinderdieb.«
    Melrose überlegte einen Augenblick. Er wusste, dass es nichts nützte, ihre Bemerkung als Unsinn abzutun. »Der Kinderdieb kam aber doch nicht hierher. Flora ist doch aus den Verlorenen Gärten verschwunden.«
    Die fantastische Dimension dessen, was er da eben gesagt hatte, wurde ihm plötzlich bewusst.
    Verschwunden aus den Verlorenen Gärten ...
    Das klang ja wirklich sehr nach Alice im Wunderland! Er wusste überhaupt nicht, was er damit eigentlich meinte. Was meinte er denn?
    Sie schaute ihm nun ins Gesicht und drehte dabei eine Haarsträhne, deren glatte Spitze sich nicht recht um die Finger winden ließ. Und wartete darauf, dass er den Kinderdieb in die Hölle verdammte. Womöglich hätte er Flora überhaupt nicht erwähnen sollen, hätte den Namen unausgesprochen lassen sollen.
    Sie sagte: »Vielleicht mag er Gärten.«
    »Nein. Er mag Orte, wo er leicht rein und wieder raus kann. Hier ist doch eine Mauer um das Haus und das Grundstück. Sieh doch nur!« Er breitete die Arme aus, als wollte er den ganzen Garten, die ganze Welt umfassen, wenn er gekonnt hätte.
    »Hab ich doch gesehen.« Ihr Ton war scharf. Was bedeutete: du Idiot.
    Die Undurchdringlichkeit der Gartenanlage, in der sie sich eben befanden, war trügerisch. Der Kinderdieb konnte wie jedes unheimliche Wesen – unter dem Bett, im Kleiderschrank, knarzend oben im Dachboden – durch Wände gehen.
    Melrose sagte: »Also, eines ist klar: Falls er je versuchen würde, hier hereinzukommen, würde Roy ihn umherjagen, bis er umfällt.« Das war vielleicht nicht der geeignetste Moment für diese Bemerkung, da der Hund faul ausgestreckt in der Sonne lag und döste.
    Lulu musterte Roy skeptisch.
    »Der Kinderdieb hat wahrscheinlich sowieso keine Angst vor Hunden.«
    Wieder ein skeptischer Blick auf den dösenden Hund.
    »Aber du sagtest ja, Mr. Scott wird dich beschützen.«
    »Und was ist, wenn er das eine Mal nicht da ist?«
    Melrose schlug sich mit den Handflächen auf die Brust. »Dann werde ich dich beschützen.«
    Lulu musterte Melrose weitaus skeptischer, als sie Roy je betrachtet hatte.

33
    Rebecca Owen redete die ganze Zeit über Lulu.
    Melrose hatte das Tablett in die Küche zurückgebracht, und zwar mit der ausdrücklichen Absicht, sie zum Reden zu bringen – vorzugsweise über Mary Scott, aber wenn sie über Lulu reden wollte, sollte es ihm auch recht sein. Zusammen genehmigten sie sich noch ein Tässchen Tee. Er lachte. »Glauben Sie mir, man sieht schon, dass sie sehr viel Fantasie hat. Was ist das für eine fixe Idee mit diesem Kinderdieb?«
    »Ach, damit hat sie Sie voll gequatscht? Beachten Sie sie gar nicht, Mr. Plant. Was sie da alles daherredet!«
    »Die Geschichte mit dem Kinderdieb ist ja vielleicht weit komplizierter, als wir denken.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich bin mir nicht sicher.« Er nahm seine Teetasse und stellte sie wieder hin. »Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache.«
    Rebecca lachte und stand mit dem leeren Keksteller auf. »Und das findet Lulu bestimmt ganz toll.«
    »Was?«
    »Dass Ihnen wegen ihr nicht ganz wohl ist.«
    Melrose spürte, wie es plötzlich merkwürdig kühl um ihn wurde. Er sah zu, wie sie den Teller ins Spülbecken stellte. »Es muss Ihnen wirklich sehr zu Herzen gehen, dass Mrs. Scott und Flora beide nicht mehr da sind.«
    »Ja, das stimmt, das stimmt wirklich.« Sie wandte sich ab und sah hinaus in den Garten.
    Melrose hielt es für besser, sie über die Scotts nicht weiter auszufragen, um nicht neugierig

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