Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
Er konnte ihr Mitgefühl und das Bedürfnis zu helfen spüren. Außerdem fror sie und war erschöpft. Zweifellos wurde der Mann von großem Kummer gequält. Doch Mikhail witterte auch seine Erregung und hörte, dass sein Herz schnell schlug.
Mühelos las er die Gedanken des Mannes, die alles andere als unschuldig waren.
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Zornig und besorgt um Raven, stieg Mikhail wieder auf und landete einige Meter entfernt, außer Sichtweite der beiden. Dann ging er auf sie zu, eine große, kräftige Gestalt, die sich aus den Schatten des nächtlichen Waldes löste.
Bedrohlich und scheinbar überlebensgroß stand er vor ihnen; seine markanten Züge wirkten hart und kalt, und in seinen dunklen Augen blitzte etwas Finsteres.
Angstlich sprang Rudy auf und streckte die Hände nach der geheimnisvollen Frau aus, um sie zu beschützen. Obwohl Mikhail etwas weiter von Raven entfernt stand als Rudy, war er blitzschnell an ihrer Seite, kam dem jungen Mann zuvor, umfasste ihr schmales Handgelenk und zog sie hinter sich.
»Guten Abend, Mr. Romanov«, begann Mikhail freundlich.
Seine Stimme klang so leise und samtig, dass Rudy und Raven erschauerten. »Wären Sie vielleicht so freundlich, mir zu verraten, warum Sie sich mitten in der Nacht mit meiner Frau allein im Wald treffen ?«Irgendwo in der Nähe ertönte das Heulen eines Wolfes. Es war nur ein einziger lang gezogener Ton, eine Warnung, die vom Wind zu Mikhail getragen wurde.
Raven bewegte sich, doch Mikhail hielt sie mit stählernem Griff fest. Sei still, Kleines. Wenn du möchtest, dass dieser Mann den Sonnenaufgang erlebt, solltest du mir gehorchen. Er ist Hans Romanovs Sohn. In seiner Seele leben die Lehren seines Vaters weiter.
Sie erbleichte. Mikhail, seine Eltern. ..
Meine Selbstkontrolle hängt nur noch an einem seidenen Faden. Zerreiße ihn nicht.
»Mr. Dubrinsky.« Rudy erkannte ihn jetzt als den mächtigsten Mann im Dorf, der ein erbarmungsloser Feind, aber auch ein loyaler Freund sein konnte. Mikhails Stimme klang ruhig und freundlich, dennoch bestand kein Zweifel daran, dass er zu einem Mord fähig war. »Dieses Zusammentreffen war nicht geplant. Ich ging durch den Wald, um ...« Er 279
verstummte. Rudy hätte schwören können, dass Wölfe zwischen den Bäumen lauerten, deren Augen ebenso gefährlich blitzten wie die Augen des Mannes, den er vor sich hatte. Es schien klüger zu sein, jeglichen Stolz zu vergessen. »Ich weinte. Die Dame befand sich auf einem Spaziergang und hörte mich.«
Lautlos schlichen sich die Wölfe näher. Mikhail spürte ihre Blutgier. Der Mann behauptete, die Begegnung sei ganz unschuldig gewesen, doch Mikhail las seine lustvollen Gedanken. Außerdem spürte er die böse Saat des Hans Romanov in seinem Sohn.
Mikhail bedachte Raven mit einem prüfenden Blick. Sie hatte sich angewöhnt, nie hinter die Fassade eines Menschen zu sehen. In ihren Gedanken spürte er Mitgefühl, Trauer und Erschöpfung ... und noch etwas anderes. Er hatte sie verletzt, das war deutlich im Blick ihrer großen blauen Augen zu sehen. Und sie hatte Angst. Raven wusste, dass die Wölfe im Wald lauerten, und hörte, dass sie Mikhail dazu drängten, seine Gefährtin zu beschützen. Es traf sie tief zu verstehen, wie empfänglich er für die primitive Logik der Tiere war. Mikhail legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich, damit sie seine Wärme spüren konnte. Dann schickte er einen stummen Befehl an die Wölfe, die ihm nur zögernd gehorchten. Sie fühlten seine Abneigung gegen diesen Mann und seinen Wunsch, einen Feind zu vernichten, der vielleicht das Leben seiner Gefährtin bedrohte.
»Ich hörte von dem schweren Verlust, der Sie getroffen hat«, bemerkte Mikhail mit einiger Mühe. »Ihre Mutter war eine großartige Frau, und ihr Tod ist ein schwerer Verlust für die Gemeinde. Ihr Vater und ich hatten zwar einige Aus-einandersetzungen, doch sein Ende hätte ich keinem Menschen gewünscht.«
Raven zitterte, jedoch nicht nur vor Kälte, sondern auch 280
aufgrund der Erkenntnis, dass Mikhail im Stande war, so tiefen Hass zu empfinden. Mochte sie auch das Licht in seiner Finsternis sein, so konnte sie doch nicht verstehen, dass er viel von einem wilden Raubtier in sich trug. Beruhigend strich ihr Mikhail über den Arm und bekräftigte seinen Befehl an die Wölfe. »Sie sollten lieber nach Hause gehen, Mr. Romanov. Diese Wälder sind gerade nachts ausgesprochen gefährlich, und das schwere Unwetter hat die Tiere nervös gemacht.«
»Ich danke
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