Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
Humor zu behalten. Jacques 334
hatte große Achtung vor ihrem Mut und ihrer unerschütterlichen Entschlossenheit, nicht aufzugeben, so schwer es ihr auch fallen mochte.
»Das soll heißen, dass sie nicht sehr vernünftig sein kann. Der Mann ist gefährlich, Jacques, auch wenn er dein Bruder ist. Und dieser Heiler ist geradezu unheimlich.«
»Findest du?«
»Du nicht? Er hat gelächelt und ganz ruhig und liebenswürdig gesprochen, aber hast du ihm einmal in die Augen geschaut? Es ist nicht zu übersehen, dass er keinerlei Gefühlsregungen hat.«
»Er ist einer von den Ältesten. Gregori ist von allen Karpati-anern der, der am meisten gefürchtet wird.«
»Und warum?« Weil Gregori viel zu mächtig war und allein mit seiner Stimme starke karpatianische Männer dazu bringen konnte, das zu tun, was er verlangte?
»Er hat die größten Kenntnisse in altem und neuem Wissen. Er ist der tödlichste und unerbittlichste von allen. Er ist der Jäger aller Vampire.«
»Und er ist alt und einzigartig genug, um jederzeit auftauchen zu können, stimmt's ? Gibt mir echt ein Gefühl von Sicherheit. Und du hast mich gezwungen, sein Blut zu trinken. Es wird lange dauern, dir das zu verzeihen.« Erst als sie stolperte, merkte sie, wie müde sie war.
Ein Schrei drang durch die Erde, durch die Erdkruste selbst. Er war eher zu fühlen, als zu hören, und rief sofort tiefes Entsetzen hervor, ein Grauen, das jeden Nerv zu lähmen schien. Der Laut vibrierte durch ihre Körper und sank in die Erde ein. Die Felsen fingen ihn auf und warfen sein Echo hin und her.
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Jacques wurde ganz still, doch seine eisigen schwarzen Augen bewegten sich rastlos hin und her. Shea klammerte sich ängstlich an ihn. Das war der Schrei eines Wesens in furchtbarer Not gewesen, eines Wesens, das schreckliche Schmerzen litt. Ohne sich dessen bewusst zu sein, versuchte sie, die Quelle aufzuspüren, den Standort.
»Der Verräter«, sagte Jacques mit leiser, von grenzenlosem Hass erfüllter Stimme. »Er hat ein neues Opfer in seinen Klauen.«
»Wie ist das möglich? Wie kann er einen von euch fangen, wenn ihr alle so mächtig seid?« Shea zupfte an seinem Arm, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Jacques wirkte in diesem Moment wie ein Fremder, wie ein Raubtier, gefährlich wie ein Wolf, wie der Vampir selbst.
Jacques blinzelte schnell, während er nach der Antwort suchte. Er selbst war auch von einem Verräter gefasst worden, nicht wahr? Wie es dazu gekommen war, war irgendwo tief in seinem Gedächtnis vergraben.
Bis er die Bruchstücke gefunden und zusammengesetzt hatte, schwebten alle von seiner Art in Gefahr.
Shea strich mit ihrer Hand über seinen Arm. »Das ist nicht deine Schuld. Du bist nicht dafür verantwortlich, Jacques.«
»Hast du die Stimme erkannt?« Sein Ton war völlig ausdruckslos.
»Für mich klang es nach einem Tier.«
»Es war Byron.«
Shea stockte der Atem. »Das kannst du unmöglich wissen!«
»Es war Byron.« Er sagte es mit absoluter Gewissheit.
»Er kam zu mir, um an meine Freundschaft zu 336
appellieren, und ich habe ihn abgewiesen. Jetzt wird ihn der Verräter an die Menschen ausliefern.«
»Warum behält der Vampir ihn nicht für sich selbst ?«
Sie bemühte sich darum, das alles zu verstehen, während sie im Geist bereits Pläne schmiedete. Sie durften weder Byron noch irgendjemand sonst in den Händen von Schlächtern und Mördern lassen. Sie hatte einen Bruder, den sie nie gekannt hatte, an diese Wahnsinnigen verloren, und sie hätte beinahe Jacques verloren. »Wenn er euch alle so sehr hasst, dass er eure Folter und euren Tod will, warum macht er es dann nicht selbst?«
»Der Vampir muss vor Sonnenaufgang in die Erde zurückkehren. Im Gegensatz zu uns kann er nicht einmal das frühe Tageslicht ertragen. Die Morgendämmerung wäre sein Untergang. Das Licht schränkt seinen Wirkungskreis ein.«
»Er war also in den Wäldern und hat uns beobachtet, genau, wie ich befürchtet hatte! Er muss dann Byron gefolgt sein und ihn irgendwie in die Falle gelockt haben.
Und er muss Byron vor Morgengrauen an die Menschen ausliefern. Sie müssen ganz in der Nähe sein.«
»Gregori hat gesagt, dass die Erde unter ihren Schritten stöhnt.«
»Der Verräter kann den Menschen also nicht helfen, solange die Sonne am Himmel steht.«
»Mit Sicherheit nicht.« Wieder sprach er im Brustton der Überzeugung.
»Aber auf uns hat die Morgendämmerung nicht diese Wirkung. Wir halten das erste schwache Tageslicht aus,
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