Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
der Kette und schrie Joshuas Namen.
Als Josh endlich in die Höhle zurückkehrte, kauerte Alexandria schluchzend am Boden. »Was ist denn passiert, Alex? Ist der Mann zurückgekommen, um dir wehzutun?«
Alexandria hob langsam den Kopf. Joshua berührte ihre blutenden Handgelenke. »Er hat dir wehgetan, und ich war nicht da, um dir zu helfen!«
Sie blickte den Jungen ungläubig an, unfähig zu begreifen, dass es sich wirklich um Joshua und nicht um eine Halluzination handelte. Dann aber schloss sie ihn fest in die Arme und betastete seine Glieder, um sich zu vergewissern, dass ihm nichts geschehen war. »Nein, der Mann ist nicht zurückgekommen. Ich glaube, er kann es nicht, solange die Sonne am Himmel steht.«
»Soll ich mal nachsehen. Ich kann mich an ihn heranschleichen.«
Joshua fühlte sich sehr mutig.
»Nein!« Alexandria zog ihn fester an sich. »Du darfst diesem Mann auf keinen Fall zu nahe kommen.« Sie wischte sich mit dem Ärmel über die geschwollenen Lippen. Einige der Blasen platzten und begannen zu bluten. »Gibt es irgendeinen Fluchtweg? Kannst du an den Felsen hinaufklettern?«
»Nein, sie sind viel zu glatt. Es gibt nicht mal ein gutes Versteck.
Ich habe mich aber noch nicht in der Höhle umgesehen. Vielleicht gibt es einen zweiten Ausgang.«
»Ich möchte nicht, dass du weiter in die Höhle hineingehst, Josh.
Wenn er dich dort findet, kann ich dir nicht helfen.« Alexandria war nicht überzeugt davon, dass Paul Yohenstria wirklich ein Vampir war, doch was auch immer er sein mochte, Josh würde keinesfalls mit ihm fertig werden. Entsetzt stellte sie sich vor, wie der 40
sechsjährige Junge den Vampir in seinem Sarg schlafend fand.
Schliefen diese Kreaturen tatsächlich in Särgen?
»Aber du bist verletzt, Alex, das sehe ich doch. Und er wird zurückkommen. Deshalb hat er dich ja gefesselt, damit er zurückkommen und dir noch mal wehtun kann.« Josh klang, als wäre er den Tränen nahe.
»Er ist sehr krank, Josh.« Alexandria wischte ihm zärtlieh eine Träne von der Wange und küsste ihn auf die Stirn. »Wir müssen uns wahrscheinlich ziemlich verstellen, wenn wir mit ihm zusammen sind. Er glaubt, dass ich die Frau bin, die er heiraten will. Ist das nicht albern, zumal wir uns doch gar nicht kennen? Ich nehme an, er ist krank, Josh. In seinem Kopf stimmt etwas nicht.«
»Ich glaube, dass er ein Vampir ist, Alex, wie die aus dem Fernsehen. Du hast zwar gesagt, dass es keine Vampire gibt, aber ich denke, du irrst dich.«
»Vielleicht. Ehrlich, ich weiß nicht, was ich glauben soll. Aber wir sind ein starkes Team, Josh.« Tatsächlich fühlte sich Alexandria so schwach, dass sie kaum noch stehen konnte. Wenn der Vampir jetzt zurückkäme, hätte sie ihm nichts entgegenzusetzen. »Ich denke, dass wir zu schlau für ihn sind. Was meinst du?«
»Ich meine, dass er uns aufessen wird«, entgegnete Josh aufrichtig.
»Er erwähnte einen Jäger. Hast du das auch gehört? Es gibt jemanden, der ihn verfolgt. Wir können bestimmt durchhalten, bis dieser Jäger ihn findet.« Alexandria fielen wieder die Augen zu.
»Ich habe Angst, Alex. Glaubst du, dass der Jäger uns findet, bevor der Vampir kommt und uns tötet?« Joshuas Unterlippe zitterte.
Alexandria nahm alle Kraft zusammen und richtete sich auf. »Er wird kommen, Josh. Warte nur ab. Er wird nachts kommen, wenn der Vampir ihn am wenigsten erwartet. Er hat blondes Haar, genau wie du. Er ist groß und stark und schnell wie eine Raubkatze.« Sie 41
konnte ihn beinahe vor sich sehen, den Superhelden, den sie erfand, um Josh Mut zu machen.
»Ist er stärker als der Vampir?«, hakte Joshua hoffnungsvoll nach.
»Viel stärker«, antwortete Alexandria und spann das Märchen für Josh weiter, das sie so gern selbst geglaubt hätte. »Er ist ein Krieger mit Zauberkräften und schimmernden goldbraunen Augen. Der Vampir kann es nicht ertragen, ihn anzusehen, weil er sich in diesen Augen spiegelt und von seinem eigenen Anblick in Angst und Schrecken versetzt wird.«
Joshua schwieg kurz und berührte dann Alexandrias Wange. »Im Ernst, Alex? Wird der Jäger wirklich kommen und uns retten?«
Es konnte nicht schaden, ihm Hoffnung zu machen. »Wir müssen nur tapfer und stark sein. Er wird uns retten, Joshua. Ganz sicher.
Wir werden zusammenhalten und diesen blöden Vampir austricksen.« Ihre Worte klangen schleppend, und da sie viel Blut verloren hatte, verließen die Kräfte sie schnell wieder. Alexandria wusste nicht, wie sie den Rest des Tages
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