Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
Beschützerinstinkt erwachte, ein Gefühl, das er für immer verloren geglaubt hatte. Er wünschte sich, sie im Arm zu halten und sie zu wärmen. Seine Zähne ritzten die zarte Haut ihres Halses, und plötzlich veränderte sich alles. Die Welt, die er kannte, versank, und eine neue entstand.
Leuchtende Farben tauchten vor seinen Augen auf und überwältigten ihn beinahe mit ihrer Schönheit und Lebendigkeit. Sein Körper reagierte auf sie mit einem drängenden Verlangen, das er nicht einmal in den Zeiten gekannt hatte, als Gefühle noch ein Teil seiner Seele gewesen waren.
Ihr Blut war heiß und süß und spendete seinem ausgelaugten Körper neue Stärke. Die Jagd und der Kampf hatten ihn viel Kraft gekostet, und er hatte noch keine Zeit gehabt, sich zu nähren. Die Sterbliche teilte ihr Lebenselixier mit ihm und hörte schließlich auf, sich zu wehren. Kraftlos sank sie an seine Brust. Aidan hob sie auf 49
seine Arme und wiegte sie sanft, während er trank. Dann fühlte er einen harten Schlag an seinen Schienbeinen. Verblüfft schloss er die Wunde an ihrem Hals mit seiner Zungenspitze und wandte sich zu dem kleinen Jungen um. In seiner Verwirrung über die neuen Empfindungen, die auf ihn einströmten, hatte er den Kleinen ganz vergessen und ihn nicht einmal kommen hören.
Joshua war wütend. Wieder holte er zum Schlag aus und ließ die Treibholzplanke mit aller Kraft gegen das Bein des Jägers sausen.
»Hör auf, meiner Schwester wehzutun! Du solltest doch kommen, um uns zu retten! Sie sagte, du würdest kommen, wenn wir ganz tapfer wären. Du solltest uns helfen, aber du bist genau wie der andere!«
Tränen strömten dem Jungen über die Wangen. Aidan sah, dass er blonde Haare und blaue Augen hatte. Die leuchtenden Farben blendeten ihn beinahe. Dann blickte er auf das gequälte Gesicht der Frau in seinen Armen. Ihr Herz schlug langsam, und jeder Atemzug kostete sie viel Anstrengung. Sie lag im Sterben.
»Aber ich bin ja auch gekommen, um euch zu helfen«, erklärte er leise. Aidan suchte nach einem ruhigen, friedlichen Ort in seiner Seele, an dem er ausruhen konnte, und schickte dann seinen Geist in den Körper der Frau. Er konnte kaum glauben, dass er sie nach all den vielen ein- samen Jahrhunderten endlich gefunden haben sollte, doch es konnte nicht anders sein. Nur seine wahre Gefähr- tin vermochte die erstaunlichen Veränderungen in ihm zu bewirken.
Sie entglitt ihm langsam und kämpfte nicht mehr dagegen an.
Doch sein starker Wille hüllte den ihren ein. Du wirst mich nicht verlassen. Nimm mein Blut an, das ich dir freiwillig darbiete. Du musst trinken, um zu über-leben.
Sie zog sich von ihm zurück. Noch immer war ihr Wille stark genug, um sich seinem Befehl zu widersetzen. Aidan versuchte etwas anderes. Dein Bruder braucht dich. Kämpfe für ihn. Er kann ohne dich nicht weiterleben.
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Er öffnete eine Stelle über seinem Herzen und presste die Frau fest an sich. Sie sträubte sich zunächst, doch er umgab ihre Gedanken mit den seinen und attackierte immer wieder die geistige Barriere mit seinen sanften Beschwörungen, bis die Frau schließlich so geschwächt war, dass sie sich fügte und trank.
»Was machst du da?«, fragte Joshua aufgebracht.
»Sie hat viel Blut verloren, ich muss ihr eine Transfusion geben.«
Aidan beabsichtigte, dem Jungen jede Erinnerung an diesen Albtraum zu nehmen, also würde ihm eine ehrliche Erklärung zu diesem Zeitpunkt nicht viel anhaben können. Der Kleine war sehr tapfer und verdiente es, alle Einzelheiten zu erfahren, die ihm etwas von seiner Angst nehmen würden.
Es hatte Aidan viel Mühe gekostet, den Vampir zu verfolgen.
Zwar hinterließ er blutige Spuren seines Treibens, war seinem Jäger jedoch immer einen Schritt voraus gewesen. Am Abend zuvor war Aidan zu spät gekommen. Als er das Restaurant erreichte und die Aura des Vampirs spürte, hatte Paul Yohenstria bereits einem alten Mann das Herz herausgerissen und damit eine Spur hinterlassen, die die Polizei auf keinen Fall entdecken durfte. Also begrub Aidan den alten Mann und sorgte auch dafür, dass man die drei weiblichen Opfer des Vampirs nie finden würde. Kurz vor Morgengrauen verlor sich die Spur des Vampirs, doch Aidan war sich sicher, dass sich das Versteck des Untoten in der Nähe befinden musste. So hatte er ihn schließlich aufgespürt und vernichtet.
Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als die Überreste des Vampirs zu verbrennen und die beiden verlorenen Sterblichen mit nach Hause zu
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