Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
nachzudenken, also wechselte sie das Thema. »Joshua hat gesehen, wie der Vampir Henry tötete. Er muss sich doch schrecklich ängstigen.«
»Er glaubt jetzt, dass Henry einem Herzinfarkt erlag. Für Joshua bin ich ein alter Freund der Familie. Er erinnert sich daran, mich 60
angerufen zu haben, damit ich komme und euch helfe, weil du plötzlich krank wurdest, während du im Restaurant warst.«
Alexandria betrachtete Aidans Gestalt. Er war vollkommen. Sein dichtes, glänzendes Haar fiel ihm in golden schimmernden Wellen auf die Schultern. Er sah sie ruhig und unverwandt an. Seine hellbraunen Augen besaßen einen eigentümlichen goldenen Schimmer, der seinen Blick durchdringend und ein wenig beängstigend erscheinen ließ. Außerdem verfügte Aidan über schier unglaublich sinnliche Lippen. Es war schwer, sein Alter zu schätzen, doch Alexandria vermutete, dass er Anfang dreißig sein musste.
»Warum hast du meine Erinnerungen nicht ausgelöscht?«
Er lächelte ein wenig bitter. »Mit dir kann man nicht so einfach fertig werden, piccola. Du nimmst meine geistige Führung nicht an.
Aber wir müssen uns um die Dinge kümmern, die in dir vorgehen.«
»Und die wären?«, fragte Alexandria unruhig.
»Nun, zunächst müssen wir das unreine Blut in deinem Körper verdünnen.«
Sie wollte ihm vertrauen. Der Duft der Kräuter, der Klang seiner Stimme, seine scheinbare Aufrichtigkeit weckten in Alexandria den Wunsch, ihm zu glauben, dass er ihr helfen wollte. Außerdem zwang er sie nicht zu einer Entscheidung, drängte sie nicht einmal, obwohl sie spürte, dass er sich Sorgen machte. Er fürchtete, dass die rätselhafte Verwandlung beginnen würde, bevor er sie und sich darauf vorbereitet hatte. Alexandria holte tief Luft. »Und wie machen wir das?«
»Ich muss dir mein Blut geben. Viel davon.«
Aidans Worte klangen ruhig, beinahe beiläufig. Alexandria wandte sich ab. Seine eigenartigen Augen ängstigten sie, denn wenn sie Aidan nur lange genug ansah, würde sie sich für immer in den Tiefen seiner Augen verlieren, das wusste sie. »Wirst du mir eine Transfusion geben?«
»Es tut mir Leid, piccola, aber das wird nicht gehen.« Sein Bedauern klang aufrichtig. Sanft umfasste Aidan ihr Kinn und 61
drehte ihren Kopf zu sich herum, sodass sie ihn ansehen musste. Die federleichte Berührung ließ Alexandria erschauern.
»Ich kann . . . ich kann kein Blut trinken.«
»Ich kann aber einen Bann auf dich legen, wenn du es mir erlaubst. Das würde dir helfen. Mein Blut ist unsere einzige Chance, Alexandria.«
Die Art, wie Aidan ihren Namen sagte, ließ Alexandria Schmetterlinge im Bauch fühlen. Doch konnte es wirklich möglich sein, dass sie nur geheilt werden würde, wenn sie mehr Blut trank?
»Wenn du es nicht freiwillig über dich bringen kannst zu trinken, musst du mich dir helfen lassen«, drängte Aidan.
»Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.« Allein der Gedanke verursachte ihr Übelkeit. »Es muss einen andren Weg geben, mich gesund zu machen.«
»Sein Blut ist unrein, Alexandria. Obwohl der Vampir tot ist, kann er dir noch immer viel Leid und Schmerz verursachen. Wir müssen sein Blut verdünnen, bevor die Verwandlung beginnt.«
Da war wieder dieses Wort - Verwandlung. Sie fröstelte.
Aidan griff nach einem strahlend weißen Seidenhemd, das eindeutig ihm gehörte, zog es Alexandria vorsichtig an und sah ihr dabei in die Augen. Er behandelte sie, als wäre sie eine zarte Porzellanpuppe. Zwar taten sie beide so, als geschähe nichts Besonderes zwischen ihnen, doch Aidans Blick und seine Berührungen hatten etwas Besitzergreifendes an sich.
Erschöpft versuchte Alexandria, ihre Gedanken zu ordnen. Der Vampir war eine grauenvolle Kreatur gewesen, und der Gedanke, dass sich irgendetwas von ihm in ihr befinden könnte, war beängstigend. »In Ordnung. Fang an.« Sie sah Aidan ernst an. »Hilf mir dabei, den Vampir loszuwerden. Aber sonst nichts. Du darfst mir keine Erinnerungen nehmen oder hinzufügen. Gib mir dein Wort darauf.« Auch wenn sein Wort wahrscheinlich nicht viel wert war.
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Er nickte. Sie war viel zu schwach, um aufrecht zu sitzen, also zog Aidan sie auf seinen Schoß. Alexandria begann zu zittern, und ihr Herz klopfte so heftig, dass Aidan befürchtete, es könnte ihr den Dienst versagen, ehe er Alexandria geheilt hatte. Er drehte sie leicht in seinem
Schoß und begann, ihr langes Haar zu einem Zopf zu flechten, um sie zu beruhigen und abzulenken. Dann stimmte Aidan stumm einen
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