Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
Mahagoni-Podest neben dem großen steinernen Kamin.
Aidan hielt Alexandria am Arm fest, da sie beinahe gegen eine Wand gelaufen wäre.
»Man sollte darauf achten, wohin man geht, cara mia«, ermahnte er sie sanft. »Schließlich bist du ja nicht zum ersten Mal hier«, fügte er dann neckend hinzu, um sie zum Lächeln zu bringen.
Sie schnitt eine Grimasse. »Findest du das alles nicht ein wenig übertrieben? Was ist, wenn Joshua durchs Haus tobt und die Vase umwirft? Ich glaube, es war ein Fehler, dein Angebot anzunehmen.
Diese Kunstgegenstände sind unbezahlbar.« Sie würde es ihm mit gleicher Münze heimzahlen.
»Wir haben doch schon darüber gesprochen«, erwiderte Aidan, ohne eine Miene zu verziehen, und führte Alexandria ins Wohnzimmer. »Falls Joshua etwas zerbrechen sollte, werden wir uns keine Gedanken darüber machen.« Er blickte Alexandria herausfordernd an.
»Also wirklich, Aidan, eine Ming-Vase?« Allein der Gedanke, dass ein solcher Schatz zerstört werden könnte, ließ Alexandria wünschen, sich Joshua unter den Arm zu klemmen und aus dem Haus zu flüchten.
Aidan beugte sich vor, sodass sein warmer Atem über Alexandrias Wange strich. »Ich hatte viele Jahrhunderte Zeit, dieses Stück zu bewundern. Der Verlust der Vase könnte mich dazu bewegen, eine Sammlung moderner Kunst zu beginnen.«
»Das grenzt ja an Blasphemie, Aidan. Allein der Gedanke . . .«
»Alexandria, dies ist dein Zuhause. Und Joshuas. Nichts in diesem Haus ist so wichtig wie ihr zwei.« Er betrachtete Alexandria, und seine Augen blitzten. »Und jetzt setz dich hin, bevor du umfällst.«
Alexandria strich sich das Haar aus der Stirn. »Könntest du versuchen, nicht ständig wie ein Despot zu klingen? Das geht mir auf die Nerven.«
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Aidan sah sie unbekümmert an. »Eine meiner schlechten Angewohnheiten.«
»Und davon hast du so viele.« Alexandria ließ sich in einen lederbezogenen Sessel sinken, und ihr wurde plötzlich bewusst, wie schwach sie sich tatsächlich noch fühlte. Schon nach dem kurzen Weg ins Wohnzimmer tat es ihr gut, sich ausruhen zu können.
Joshua lief auf sie zu, um auf ihren Schoß zu klettern. Offenbar brauchte er ihre Nähe ebenso sehr wie sie die seine.
»Du bist so blass, Alex«, stellte der Junge mit kindlicher Offenheit fest. »Geht es dir auch bestimmt gut?«
»Ich werde schon wieder werden, Josh. Es braucht nur etwas Zeit.
Gefällt dir dein Zimmer?« Wieder suchte sie möglichst unauffällig nach Wunden an Joshuas Hals.
»Es ist toll und richtig groß. Aber ich kann oben nicht einschlafen, wenn du nicht da bist. Das Zimmer ist irgendwie zu groß. Marie und Stefan erlauben mir, unten bei ihnen zu schlafen.« Der Kleine schlang die Arme um Alexandrias verletzten Hals und merkte nicht, dass sie vor Schmerz das Gesicht verzog.
Aidan entging ihre Reaktion jedoch nicht. Wie beiläufig legte er Joshua die Hand auf die Schulter und zog ihn an seine Seite. »Wir müssen noch ein bisschen vorsichtig mit Alexandria sein. Weißt du noch, dass ich dir erklärt habe, dass sie viel Ruhe und Pflege braucht? Und wir beide müssen dafür sorgen, dass sie diese Pflege auch bekommt, auch wenn sie sich dagegen auflehnt. Darüber denkt sie nämlich gerade nach.«
»Es geht mir gut«, versicherte Alexandria gereizt. »Wenn du auf meinem Schoß sitzen möchtest, Joshua, dann darfst du es auch.«
Niemand außer ihr würde ihrem Bruder vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hatte.
Energisch schüttelte Joshua den Kopf, sodass seine blonden Locken auf und ab hüpften. »Ich bin kein Baby mehr, Alex. Ich will auf dich aufpassen. Das ist mein Job.«
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Sie hob erstaunt die Brauen. »Ich dachte, ich hätte hier das Kommando.«
»Aidan sagt, dass du dich da irrst. Aber er meint, wir müssen dich denken lassen, dass du das Kommando hast, weil Frauen das eben gern denken, während die Männer sie in Wirklichkeit beschützen.«
Über Joshuas Kopf hinweg blickte Alexandria durchdringend in Aidans goldbraune Augen. »So, sagt Aidan das? Ich glaube aber, dass er derjenige ist, der sich irrt. Was dich angeht, bestimme ich, nicht Aidan.«
Joshua lächelte Aidan verschwörerisch an, und dieser flüsterte:
»Siehst du?« Dann wandten sich beide zu Alexandria um und ihre Unschuldsmienen glichen einander so sehr, dass sie lachen musste.
Wieder suchte Joshua Alexandrias Nähe und begann, mit ihrem Zopf zu spielen, der ihr über die Schulter fiel. Sie hörte seinen Herzschlag und das leise Rauschen seines Blutes,
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