Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
saß und zuhörte. »Ich kann es einfach nicht, Aidan.« Obwohl sie immer sehr vorsichtig war, Joshua nicht zu beunruhigen, fehlte ihr im Augenblick einfach die Kraft dazu.
Aidan ließ seine Hand über ihren Rücken gleiten und tauchte die Finger in ihr seidiges Haar. »Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut«, versicherte er leise, um sie zu entspannen.
Der Wagen hielt, und Stefan öffnete die Tür auf Aidans Seite.
Gleich darauf fiel das gleißende Sonnenlicht ungehindert ins Innere, und Alexandria wurde bewusst, dass Stefan die Anweisung erhalten hatte, Aidans Tür zu benutzen. Wie immer beschützte Aidan sie vor ihrem eigenen Leichtsinn. Obwohl er sich so vor den Wagen stellte, dass sein Schatten das meiste Licht von ihr abschirmte, brannte die Sonne unerträglich. Alexandria schloss die Augen hinter der dunklen Brille und gab Joshua einen Kuss auf die Stirn. »Hab einen schönen Tag, Josh. Wir sehen uns heute Abend.« Es erstaunte sie, wie unbekümmert ihre Stimme klang.
»Wirst du da sein, wenn ich nach Hause komme?«, fragte er ängstlich. Josh wollte sie nicht aus den Augen lassen, weil er Angst hatte, seine Schwester zu verlieren.
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In den vergangenen Tagen hatte sich diese Angst in seine Träume geschlichen - Albträume, die davon handelten, dass Alexandria für immer verschwand. Josh umarmte sie fest und schmiegte die Wange an ihre Schulter.
»Was hast du denn, Josh?« Alexandria vergaß ihre eigenen Ängste und Schmerzen und konzentrierte sich darauf, ihren Bruder zu trösten.
»Dir wird doch nichts Schlimmes passieren, oder?« Joshuas Furcht und Anspannung waren nur allzu deutlich.
Alexandria wollte ihn beruhigen, aber die Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Nur ein leises Wimmern entfuhr ihr, ängstlich und schmerzerfüllt zugleich.
»Ich bleibe bei Alexandria, während du in der Schule bist, Joshua«, versprach Aidan leise. Seine Stimme klang so ruhig und tröstlich, dass es unmöglich war, sich ihrer Wirkung zu entziehen.
»Ich würde niemals zulassen, dass ihr etwas geschieht. Das verspreche ich dir. Und selbst falls sie sich ausruhen sollte, wenn du nach Hause kommst, wird sie heute Abend ganz bestimmt auf den Beinen sein und Zeit für dich haben.«
Joshua entspannte sich in den Armen seiner Schwester sichtlich.
Aidan strich dem Jungen über den Kopf, während er plötzlich eine tiefe Zuneigung in sich aufsteigen fühlte. Er hatte Joshua ins Herz geschlossen.
Doch gleichzeitig ließ Aidan den Blick unruhig durch die Umgebung schweifen. Zwar gelang es ihm, das morgendliche Sonnenlicht auszuhalten, doch auch er Würde den Preis dafür zahlen müssen, ein Karpatianer, ein Nachtwesen, zu sein. Schon bald würden ihn die Kräfte verlassen.
»Ich bin um halb drei zu Hause«, verkündete Joshua und gab Alexandria einen letzten Kuss.
»Dein Pausenbrot«, erinnerte Stefan ihn und gab Josh den Rucksack, den Marie einige Tage zuvor gekauft hatte.
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»Danke Stefan«, rief Joshua, während er auf einen Jungen zulief, mit dem er bereits Freundschaft geschlossen hatte. »Hey, Jeff! Warte auf mich!«
Alexandria blickte ihm nach, aber das Licht blendete sie, sodass ihr die Tränen nur so über die Wangen strömten. Es blieb ihr nichts übrig, als die Augen zu schließen. Alexandria zog die Knie an und kauerte bekümmert auf dem Rücksitz. Aidan beugte sich zu ihr, und sie spürte seine tröstliche Gegenwart. Doch Alexandria wollte sich nicht von ihm trösten lassen. Sie wollte überhaupt nichts mit ihm zu tun haben. Aidan hatte Joshua versprochen, auf sie aufzupassen, damit er sie nicht verlor, doch sie konnte sich nicht vorstellen, für immer von dem Blut der Sterblichen leben zu müssen. Kein Sonnenlicht, keine Möglichkeit, ein Teil von Joshs Leben zu sein.
Alexandria stöhnte auf und barg das Gesicht in den Händen.
Stefan schloss die Tür und schirmte sie damit wieder von der Sonne ab. Zärtlich legte ihr Aidan den Arm um die schmalen Schultern. »Es wird nicht immer so sein, cara.«
»Aber es ist noch nicht mal neun Uhr morgens. Die Sonne ist gerade erst aufgegangen.« Alexandria rang mit einem Schluchzen.
»Deine Haut muss sich erst langsam an das Licht gewöhnen.«
Aidan küsste sie sanft auf die Stirn.
Stefan ließ den Wagen an.
»Warte noch«, ordnete Aidan an. Stefan gehorchte sofort und wandte sich fragend zu Aidan um. Der Karpati-aner sagte jedoch nichts, sondern betrachtete aufmerksam die Umgebung. »Vielleicht sollten wir wieder die Dienste von Vinnie del Marco
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