Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
fließt in ihren Adern, und ihres fließt in deinen. Niemand kann sie von dir trennen. Wenigstens das habe ich in all den Jahren gelernt. Deine karpatianischen Instinkte blenden dich, Aidan. Du willst deine Gefährtin unter allen Umständen beschützen und für dich allein haben. Dieser Teil von dir ist noch immer wild und ungezähmt, trotz deines starken Willens. Doch Alexandria ist eine Sterbliche. Sie wurde nicht als karpatianische Frau geboren und weiß weder, was von ihr erwartet wird, noch, was mit ihr geschehen ist.«
Seufzend rieb sich Aidan die Schläfen. »Aber es ist nicht nötig, dass sie so leidet. Wenn sie nur ihren Geist mit meinem verschmelzen würde . . . «
»Sie würde doch nicht glauben, was sie in deinen Gedanken liest«, beharrte Marie.
Aidan wandte sich an Stefan. »Wir müssen uns bald zurückziehen. Aber ich habe etwas Böses in der Nähe von Joshuas Schule wahrgenommen. Ich fürchte, die anderen werden uns bald angreifen. Du musst besonders wachsam sein.«
Stefan nickte. »Ich habe die notwendigen Telefonate bereits erledigt, und auch das Haus ist geschützt. Mach dir keine Sorgen um uns, Aidan. Wir erleben das schließlich nicht zum ersten Mal.«
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»Nein, leider nicht«, seufzte Aidan niedergeschlagen. »Es ist mir ein Rätsel, warum ihr euch dazu entschlossen habt, fern unserer Heimat ein so gefährliches Leben zu führen.«
»Doch, das weißt du«, erwiderte Marie leise.
Aidan beugte sich vor und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Wange. »Ja, eigentlich schon«, bekannte er. »Marie, sieh bitte nach, ob Alexandria bereit ist, sich zur Ruhe zu legen. Ich möchte nicht, dass sie schon wieder glaubt, ich wolle sie kontrollieren.«
Marie nickte, und Stefan folgte seiner Frau durchs Haus. Die Entwicklung der Dinge gefiel ihm nicht. Wenn es hart auf hart ging, war Aidan gefährlich, besonders wegen seiner animalischen Instinkte. Er würde es nicht zulassen, dass ein anderer ihm Alexandria Houton wegnahm. Stefan sah es in der beschützenden, Besitz ergreifenden Haltung des Karpatianers, wenn er bei ihr war.
Und Aidans Selbstbeherrschung schwand mit jedem Tag.
Marie und Stefan fanden Alexandria im Hausflur. Sie kauerte an der Tür und wirkte traurig und verloren, wie ein kleines Mädchen, das Unerträgliches erleiden musste. Sie hatte die Beine angezogen und die Arme um die Knie geschlungen. Das lange, blonde Haar fiel ihr über die Schultern und verbarg ihren Gesichtsausdruck. Alexandria zitterte, während sie gegen die bleierne Müdigkeit ankämpfte, die alle Karpatianer bei Tag überfiel. Es musste sie ängstigen, die Erschöpfung zu spüren, die sie die Kontrolle über sich verlieren ließ.
»Alexandria!« Marie eilte auf sie zu. »Geht es dir gut?«
Sie schien sich wirklich Sorgen zu machen, doch Alexandria ließ sich nicht täuschen. Marie war Aidan gegenüber absolut loyal und würde ihm alles berichten, was sie, Alexandria, sagte oder tat. Sie blickte nicht auf, als Marie sie ansprach. In ihr wuchs die Angst, dass sie hilflos war, gefangen in einem Albtraum, aus dem es kein Erwachen gab. Aidan war zu mächtig, um sich ihm zu widersetzen, und aus irgendwelchen Gründen wollte er sie besitzen.
»Alexandria?« Marie strich ihr sanft über den gesenkten Kopf.
»Soll ich Aidan holen?«
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Alexandria schloss die Augen. Aidan. Alles schien auf Aidan hinauszulaufen. »Nein, ich . . . finde das alles nur so . . . verwirrend.
Ich . . . brauche etwas Zeit.« Ihre Stimme klang gepresst. Sie traute sich kaum zu sprechen, da sie befürchtete, schließlich doch zusammenzubrechen. Verzweifelt versuchte sie, sich zu beruhigen.
War sie verrückt geworden? Gehörte sie in eine Irrenanstalt?
Sie musste einen Weg finden, Joshua vor diesen Leuten zu beschützen. Alexandria bereute, Thomas Ivan nicht um Hilfe gebeten zu haben, doch wahrscheinlich hätte auch er nichts gegen Aidan ausrichten können. Aidan würde sie niemals gehen lassen.
Zwar verstand sie nicht, warum und wie, doch sie war davon überzeugt, dass er ihr bis ans Ende der Welt folgen würde.
Alexandria presste sich die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Wie sollte sie sich je gegen Aidan zur Wehr setzen?
Konnte sie überhaupt ohne seine Hilfe überleben? Wenn sie sich freiwillig in eine Heilanstalt einweisen ließ, was sollte dann aus Joshua werden?
Plötzlich verspürte sie den sehnlichen Wunsch, Aidan zu berühren, ihm nahe zu sein. Sie kämpfte dagegen an, doch die Sehnsucht war stärker. Sie
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