Karparthianer 04 Magie des Verlangens
überleben würde. Ihre Mutter konnte die komplexe Beziehung zwischen karpatianischen Männern und Frauen nicht voll erfassen. Raven war eine Sterbliche gewesen und ahnte nicht, wie gefährlich ein mächtiger Karpatianer wie Gregori werden konnte. Raven wollte, dass ihre Tochter frei und unabhängig aufwuchs, ohne wirklich zu verstehen, dass Karpatianer keine andere Wahl hatten, als irgendwann nach ihren wahren Gefährten zu suchen. Mit der Illusion von Freiheit, die sie ihrer Tochter mitgegeben hatte, hatte Raven ihrer Tochter keinen guten Dienst erwiesen.
Dennoch war Gregori zum ersten Mal in seinem Leben unentschlossen. Solange er Savannah nicht offiziell zu seiner Gefährtin machte, würden alle karpatianischen Männer, auch 55
die Untoten, auf sie lauern, in der Hoffnung, Gregoris Platz einnehmen zu können. Er musste das Ritual, das Savannah und ihn für immer aneinander binden würde, bald vollziehen -auch zu ihrem Schutz. Sterbliche und Unsterbliche würden erst wieder in Sicherheit sein, wenn er sich nahm, was ihm gehörte.
Gregori hatte gefährlich lange gewartet. Andererseits wollte er Savannah seinen Willen nicht aufzwingen, solange sie noch zögerte. Nervös strich er sich durchs Haar und ging wie ein eingesperrtes Raubtier im Haus auf und ab. Der Hunger nagte an ihm und wurde mit jeder Minute schlimmer.
Gregori trat auf den Balkon hinaus und hob den Kopf, um die frische Nachtluft einzuatmen. Der Wind trug die Witterung von Jagdbeute heran. Hasen, Rotwild, Füchse und — in einiger Entfernung - Menschen. Mit selbstverständlicher Leichtigkeit sandte Gregori einen Ruf aus, um seine Beute anzulocken. Es fiel ihm manchmal schwer, sich in Erinnerung zu rufen, dass Menschen Verstand und Gefühle besaßen, da er sie so einfach kontrollieren konnte.
Gregori sprang vom Balkon im zweiten Stock und landete geschmeidig auf den Fußballen. Seine Bewegungen wirkten ruhig und anmutig, mit einer Andeutung der immensen Körperkräfte, über die er verfügte. Kein Kieselstein rollte unter seinen Schritten, kein Zweig knackte, kein Blatt raschelte.
Gregori spürte die Geräusche der Erde, die Insekten und Nachttiere, das Wasser, das sich in der Erde seinen Weg bahnte.
Der Saft in den Bäumen rief ihm zu, die Fledermäuse fiepten einen Gruß.
Gregori blieb bei dem hohen Maschendrahtzaun stehen.
Leicht beugte er die Knie, sprang hoch in die Luft und landete mühelos auf der anderen Seite des zwei Meter hohen Zauns. Er war nicht länger der elegante weltgewandte Mann, sondern ein gefährliches Raubtier. Seine hellen Augen blitzten. Der Hunger 56
hielt Gregori in seinem Bann. Seine Instinkte übernahmen die Führung, die uralten Überlebensinstinkte eines Raubtiers.
Er nahm die Witterung auf und ging auf die Sterblichen zu.
Sein Ruf hatte ein junges Paar angezogen. Er hörte, wie ihre Herzen schlugen und das Blut durch ihre Adern rauschte. Sein Körper sehnte sich nach Erlösung. Der gefährliche, tückische Sirenengesang der Finsternis verlockte ihn. Eine Frau. Leichte Beute. Der Mann in Gregori, beinahe vom Raubtier überwältigt, kämpfte gegen die Versuchung an. In seinem derzeitigen Zustand wäre es ihm ein Leichtes, die Frau zu töten.
Sie war noch jung, Anfang zwanzig vielleicht, und der Mann war auch nicht viel älter. Die beiden warteten aufgeregt auf ihn.
Als Gregori auf sie zuging, streckte das Mädchen die Arme aus und lächelte ihn freudig an. Der Hunger brannte, jede Zelle in Gregoris Körper schrie nach Erlösung. Mit einem leisen Knurren griff Gregori nach ihr. Das Raubtier gewann die Oberhand.
Als Gregori die Frau heftig an sich zog, hörte er den Hauch eines Geräuschs. Sanft, rhythmisch. Schnell. Leise knurrend ließ er sie los. Sie erwartete ein Kind. Gregori streckte die Hand aus und legte sie auf die sanfte Rundung ihres Bauches. Es war ein Junge. So zart, so zerbrechlich. Abrupt drehte er sich um und griff nach dem Mann. Gregori rang um Selbstbeherrschung, um den jungen Mann ruhig zu halten, damit er ihm zu Willen war.
Einen Augenblick lauschte er dem Rauschen des Blutstroms, der Leben bedeutete, dann senkte er den Kopf und trank.
In seiner Erregung genoss Gregori den Geschmack des Bluts, der Kraft, die ihn durchströmte. Er brauchte mehr. Hungrig trank er das Blut des jungen Mannes, um die schreckliche Leere in seinem Innern zu füllen. Der Mann strauchelte. Gregori kam wieder zu Bewusstsein und rang mit seinen Instinkten. Er wollte sich an dem jungen Leben gütlich tun und seine
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