Karpatenfürst - Landers, K: Karpatenfürst
den Deckel an und zog die Orakelknochen einzeln heraus. Sorgsam legte sie diese vor sich auf den Tisch.
Valerijs Ungeduld stieg ins Unermessliche. Er fieberte darauf, was ihm die Knochen über die Zukunft verraten würden.
Fragend ruhte Aurikas Blick auf ihm. „Nun? Welche Frage stellt mein Herr?“ Ihre langen Fingernägel fuhren zitternd über die Knochen, die ungeordnet vor ihnen lagen.
„Wenn das Weib, das ich begehre, die Prophezeite ist, was wird geschehen?“ Valerijs Stimme klang heiser. Die Anspannung in seinem Inneren wuchs. Was würde das Orakel preisgeben? Trogen ihn seine Gefühle oder entsprach alles der Vorhersehung?
Aurika schloss die Augen und sog scharf die Luft ein. Ihre Hände bewegten sich in Kreisen über den Knöchelchen, während ein leises Summen aus ihrem Mund drang.
Eine lange Weile schwebten ihre Hände in der Luft, aber nichts regte sich. Antwortete das Orakel, verschoben sich die Knochen, und die Hexe las aus ihrer Konstellation die Zukunft. Er bohrte seine Fingernägel in die Handflächen und starrte auf die Knochen. Manchmal versagte das Orakel. Weshalb das so war, behielt Aurika für sich. Valerij glaubte eher, dass die Hexe selbst insgeheim verzweifelt nach einer Erklärung suchte, sie aber nicht fand.
„Warum rührt sich nichts?“, fragte er und sah zu Aurika, die noch immer mit geschlossenen Augen imaginäre Kreise mit den Händen zog. Sie antwortete nur mit einem „Pst.“
Valerij wollte sich abwenden, als die Knöchelchen sich plötzlich langsam bewegten, erst einer, dann nach und nach alle. Mit einem Ruck wirbelten sie schließlich wie ein kleiner Wirbelsturm über die Tischplatte. Die Hexe seufzte und hob ihre Hände, bis sich die Knochen auftürmten. Stimmen flüsterten und verrieten Valerij, dass die Geister endlich Kontakt zu ihr aufnahmen.
Plötzlich schrie Aurika auf, breitete die Arme aus und riss die Augen weit auf. Im selben Moment purzelten die Knöchelchen auf den Tisch und blieben reglos liegen. Das kam Valerij wie ein alberner Spuk vor. Manchmal trieb die Hexe ihre Späße mit ihm. Das machte ihn wütend.
„Rede, was hast du gesehen und gehört?“ Seine Hand schnellte vor und packte sie am Kragen. Mit einem Ruck zerrte er sie heran.
Aurika schluchzte trocken auf und schloss wieder ihre Augen. Valerij erkannte, dass die Hexe sich in einem Trancezustand befand, in dem sie nichts um sich herum wahrnahm. Er ließ von ihr ab.
Sie presste ihre Hände gegen den Mund und schlotterte am ganzen Körper, als würde sie von Fieber geschüttelt.
„Niemals hierherbringen. Das Mal … Gefahr … Rebellion …“, spuckte sie die zusammenhanglosen Wortbrocken heraus. Sie warf den Kopf in den Nacken und drehte ihn hin und her. Ihre Lider flatterten, und ihre Miene verzog sich zu einer Fratze als plagten sie Schmerzen.
„Ein dunkles Erbe … Vernichtung … sie vernichtet alles …“, stammelte Aurika weiter.
„Ist sie nun die Prophezeite oder nicht?“ Die Hexe war wie von Sinnen und Schweiß perlte von ihrer Stirn, während sie wie wild mit den Armen in der Luft ruderte. Aber er musste es wissen! Seit unendlich langer Zeit und voller Ungeduld wartete er auf den Moment dieser einen Begegnung. Umso enttäuschter war er, als die Hexe nur dieses Gestammel herausbrachte. Es machte ihn schier verrückt.
„Verfluchtes Weib! Du sprichst in Rätseln. Sag mir endlich, welche Bilder in deinem Kopf sind!“, schrie er sie an und schüttelte sie. Da schlug sie die Augen auf und sah ihn an. Nein, sie sah ihn nicht an, sondern durch ihn hindurch, als bestünde er aus Glas.
„Nie hierherbringen … Gefahr …“ Valerij hatte Aurika schon oft in Trance erlebt, aber nie war sie derart unzugänglich gewesen. Er spürte, dass er nicht nachgeben durfte, wollte er mehr aus ihr herausbringen. Geduld gehörte nicht zu seinen Stärken, im Gegenteil forderte er von seinen Gefolgsleuten die sofortige Erfüllung seiner Wünsche.
Bei ihrem starren Blick wurde ihm jedoch klar, dass er abwarten musste, bis sich das Durcheinander in ihrem Kopf gelichtet hatte und sie dazu in der Lage war, über die Weissagung zu sprechen. Aber er wollte nicht mehr geduldig sein.
Weil sie dich bereits jetzt um den Verstand bringt, dieses blauäugige Weib.
Valerij umfasste Aurikas Schultern und drückte die schwankende Hexe gegen den Tisch. Ihr Zittern endete und auch ihr Atem beruhigte sich allmählich. In ihre Augen kehrte der Ausdruck der gewohnten Normalität zurück.
„Und?“, fragte er und
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