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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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verregnet, und es war zu kühl für die Jahreszeit. Ein Scheißsommer! Dafür meinte die zweite Augusthälfte mit Temperaturen bis zu dreiunddreißig Grad etwas ausgleichen zu müssen. Bis auf ein paar Kleinigkeiten war zwischenzeitlich auch der neue Supermarkt fertig geworden und hatte vor zwei Wochen den Betrieb aufgenommen. Heute wurde die offizielle Einweihung gefeiert. Das Ereignis war in der Tagespresse mit viel Pomp und Gloria angekündigt worden. Sowohl die Vertreter der lokalen Politik als auch viele ortsansässige Vereine hatten ihre Teilnahme zugesagt. Halb Röttenbach war auf den Beinen. Toni Wellein und seine chinesische Freundin waren im Stress. Die Sonne lachte vom spätsommerlichen Himmel, und es versprach ein herrlicher Tag zu werden.
    Vor zehn Minuten war der ökumenische Gottesdienst zu Ende gegangen. Pater José Ortiz hatte das Verkaufsgebäude, als auch die mächtige Lagerhalle mit dem geweihten Wasser gesegnet. Bürgermeister Gast, Landrat Eberhard Bierlinger und der lokale Bundestagsabgeordnete aus Großenseebach, Dr. Stefan Maller, waren die politischen Gastredner, bevor der neue Filialleiter, Anton Wellein, zu Wort kam. Letzterer versprach allen zukünftigen Kunden eine Röttenbacher Erfolgsstory und lud die gesamte Bevölkerung zu Freibier und Verpflegung ein.
    Die evangelische Pfarrerin, Ulrike Rentlo, hielt ein Handtuch in den Händen und rubbelte sich noch immer die Haare trocken. Der katholische Kollege hatte sie versehentlich, wie er sagte, etwas mit Weihwasser bespritzt. Etwas bespritzt! Wie die Katholiken die Worte verdrehen konnten! Er hatte sie regelrecht mit einem tsunamiartigen Schwall übergossen! Sie unterstellte ihm insgeheim volle Absicht und dachte immer noch daran, was vor zehn Minuten geschehen war: Nachdem sie für den neuen Supermarkt, seine Mitarbeiter und seine Kunden allzeit um Gottes Schutz gebeten hatte, war Pater Ortiz an der Reihe. Sie ließ ihm den Vortritt und trat in die zweite Reihe zurück, genau hinter ihm. Er sah sich noch um. Er sah genau, wo sie stand. Nachdem er innbrünstig seine Gebete gesprochen hatte, stellte er seine Kanne, welche das Weihwasser enthielt, zurecht. Dann nahm er die ihm dargereichte Bürste in die Rechte. Die Pfarrerin konnte sich nicht helfen, sie musste immer an ihre Toilettenbürste daheim denken, wenn sie den Kollegen mit diesem Instrument hantieren sah. Pater Ortiz jedenfalls nahm die Bürste und rührte damit in der Kanne herum. Bei seinen Worten: »Hiermit segne ich dieses Haus …« zog er die Bürste aus der Kanne und holte in vollem Schwung nach hinten aus. Genau dorthin, wo Pfarrerin Rentlo stand. Ein kalter Wasserschwall erwischte ihre rechte Gesichtshälfte und einen Teil ihrer frisch geföhnten Frisur. Selbst die linke Gesichtshälfte war noch über und über mit feinen Wassertropfen besprenkelt. Die Menge des Weihwassers, die noch auf der Außenwand des Supermarktgebäudes auftraf, war nicht mehr als ein lächerlicher Fliegenschiss.
    War das die späte Rache des Katholiken für die Weihe des neuen Feuerwehrlöschzuges Anfang Mai? Sie erinnerte sich noch ganz genau. Am 4.Mai hatten sie beide das neue Löschfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Röttenbach gesegnet. Pater Ortiz war damals auch mit seiner Klobürste unterwegs. Nach dem offiziellen Teil stand das Fahrzeug zur allgemeinen Besichtigung bereit. Der technikverliebte, katholische Kollege saß hinter dem Steuer. In voller Amtstracht! Er spielte an den vielen Knöpfen und Schaltern herum. Die Türen des Fahrzeugs standen sperrangelweit offen. Der Pater grinste aus dem Führerstand in die Kameras. Draußen blitzten die Fotoapparate der lokalen Presse. »Absprung!«, kündigte er an und setzte sich in Pose. Er hatte nicht bemerkt, dass sich sein weiter Umhang um das Schaltgestänge gewickelt hatte. Dann sprang er aus dem Führerstand. Immer dieses In-Szene-Setzen der Katholiken! Ulrike Rentlo schmiss die Fahrertür zu, als der katholische Kollege im Absprung war. Die kunstvoll bestickte Amtstracht des Paters war noch auf halbem Weg nach draußen. Ihr Träger landete gerade mit seinen Füßen auf dem geteerten Platz, als das Reißen von Stoff zu hören war. Es hörte sich interessant an. Fand sie jedenfalls. Ein Blitzlichtgewitter der Fotografen ging hernieder. Pater Ortiz gab kein gutes Bild ab, als er am nächsten Tag im Regionalteil der örtlichen Presse abgelichtet war. Ein Teil seiner Amtstracht hing eingeklemmt in der Fahrertür des neuen Löschzuges, während er,

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