Karpfen, Glees und Gift im Bauch
ansieht, wird er schon rot. Wie’s der Teufel will, findet meine Tante auf dem Nachbargrundstück der FORMA einen Büschel rot eingefärbtes Gras und behauptet felsenfest im Brustton der Überzeugung – na was?«
»Dass der Grasbüschel eine Tatortspur ist, weil das Blut von dem, wie heißt er?«
»Johann Geldmacher!«
»… weil das Blut von dem Johann Geldmacher daran klebt«, vervollständigte Sandra Millberger den Satz.
»Bist du jetzt auch schon balla balla, Sandra?« Ich habe die Idee der Senilität meiner Tante zugerechnet, aber offensichtlich liegt hier ein weit verbreitetes Frauenleiden vor. Ich sage dir, was passiert ist: Dieser Geldmacher hat während der Röttenbacher Kirchweih wahrscheinlich das erste Mal in seinem Leben einen ›heißen Ofen‹ kennengelernt und vögelt sich heute immer noch das Gehirn aus seinem Schädel. Das ist es, was geschehen ist!«
»Dass ihr Männer aber auch immer nur an das Eine denken müsst!«
»Überleg doch, Sandra!«
»Wo ist denn der Grasbüschel?«, wollte sie wissen.
«Hier!« Der Kommissar hob einen kleinen Plastikbeutel hoch. »›Iech schau di nemmer oh, wennsd dees Groos ned undersuchn lässd, Gerald!‹ Das waren ihre Worte, nachdem ich eine halbe Stunde mit ihr gestritten hatte. Alles für die Katz. Die Alte ist so uneinsichtig. Stur wie ein Panzer. Was soll ich nun machen, Sandra?«
»Sei doch nicht päpstlicher als der Papst!«, riet sie ihm. »Gib mir die Plastiktüte. Ich schau mal bei unserem forensischen Anthropologen, dem Thomas Rusche vorbei. Wenn ich ihm die Geschichte erzähle, hat er bestimmt Verständnis. Vielleicht tut er uns einen kleinen privaten Gefallen.«
»Du bist ein Schatz, Sandra! Dafür lade ich dich in der nächsten Bierkellersaison mal wieder auf den Neuhauser Bierkeller ein. Da gibt es jetzt auch Bratwurstgulasch, mit viel Zwiebeln, in einer pikanten Soße.«
»Ja, fein, danke! Nimm doch deine Tante dann auch einmal mit. Die würde ich gerne kennenlernen. Ich kenne sie ja nur vom Hörensagen.«
»Weiß ich noch nicht«, gab der Kommissar zurück. »Dann müsste ich ihre Freundin auch mitnehmen. Die beiden gibt es nur im Doppelpack. Aber mal sehen, wenn sie bis dahin den »Fall« aufgeklärt haben, lässt sich darüber reden.« Er lachte, während sich Sandra Millberger, den kleinen Plastikbeutel hin und her schwenkend auf den Weg zu Thomas Rusche begab.
Kindheit
Der schmächtige, vierzehnjährige Junge saß in seinem Baumhaus. Er war wie immer allein. Freunde hatte er nicht. Seine Eltern waren beide berufstätig. Vor ihm lag ein abgegriffenes Pornoheft ausgebreitet auf dem Holzboden, welches er einem Achtzehnjährigen für zwanzig Mark abgekauft hatte. Zuerst betrachtete er die anregenden Bilder, dann sah er auf sein Pimmelmännchen, welches er in seiner rechten Hand hielt. Traurig und abgeschlafft lag es in seiner Handfläche und rührte sich nicht. Er musste es anders versuchen. Er schloss seine Augen und zwang sich an Hannelore Redlingshöfer zu denken, das gleichaltrige Mädchen aus der Nachbarschaft. Die mit den pechschwarzen Augen, welche immer wie glühende Kohlen leuchteten, wenn er sie ansah. Mit den zotteligen, blonden Haaren, die ihr bis auf die Schultern fielen, und den sinnlichen, schwungvollen Lippen. Er stellte sich vor, dass er ihr gerade den BH-Verschluss öffnete. War da nicht ein leichtes Zucken auf seinem Handteller? Er sah an sich hinab. Fehlanzeige! Ein Junikäfer krabbelte über seinen Schniedelwurz hinweg, der immer noch schlapp und klein in seiner Hand lag. Da half kein Reiben, Drücken, oder Knuddeln. Abgeschlafft ist abgeschlafft! Schläuchlein bleibt Schläuchlein! Nicht mal Hannelore Redlingshöfer konnte da helfen. Warum traf das Schicksal gerade ihn so hart? Er brauchte sich nur vor den Spiegel zu stellen. Seine männlichen Klassenkameraden waren durch die Bank einen Kopf größer als er, hatten Muskeln an den richtigen Stellen und wurden von den Mädchen heimlich umschwärmt. Ihn ließ das weibliche Geschlecht links liegen. Sie nahmen ihn gar nicht wahr, sahen regelrecht durch ihn hindurch. Nur die fette Gerlinde, hässlich wie die Nacht finster, versuchte mit ihm ins Gespräch zu kommen. Sie hatte einen Arsch wie ein Nilpferd und Oberschenkel, so dick wie die Säulen der Akropolis.
Im Laufe der Zeit lernte er seine Umgebung zu hassen: Seine Eltern, die nie Zeit für ihn hatten und ihn behandelten wie einen Aussätzigen. Seine Lehrer, weil sie ihn – trotz guter Noten – ebenfalls
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