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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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zurücklegen. Wir hatten eine gute und sehr interessante Unterhaltung. Die Themen kreisten um die katholische Kirche, den alten und den neuen Papst sowie die Entwicklung des Glaubens in Deutschland. Irgendwann überfiel uns alle die Müdigkeit, und auch die Angestellten der Jugendherberge wurden langsam ungeduldig, sodass wir unseren ersten Abend nach dem ersten Wandertag beendeten. Der Schlaf in dieser Nacht war trotz des Schnarchens von Gu - Ohropax sei Dank - und der zeitweise einsetzenden Muskelkrämpfe, erholsam und sehr, sehr wohltuend.
     
     

2. Pilgertag, Mittwoch, 24. Mai 2006
    Roncesvalles - Larrasoaña
     
    Um 7 Uhr waren wir losgelaufen, wir wollten in den Tag hineinlaufen und die Morgensonne in ihrem ersten Licht genießen. Außerdem hatten wir uns vorgenommen, im ersten Dorf, in Auritz-Burguete, zu frühstücken. Nach einer guten halben Stunde erreichten wir das Dorf, schon von Weitem konnte man den Duft von Croissants riechen. Im Café saßen, trotz der frühen Stunde, schon einige Pilger. Wir hatten also nicht allein diese Idee gehabt. Ein paar Gesichter erkannten wir wieder, auch unser verunglückter Franzose gehörte zu den Frühaufstehern. Wir schlürften den café con leche mit wohligem Behagen und bissen herzhaft in unser bocadillo. Obwohl einige der anderen Pilger nach einem kurzen Espresso schon wieder den Rucksack schulterten, bestellten wir in aller Ruhe einen zweiten café con leche. Gut gestärkt zogen wir nach einer halben Stunde weiter. Was dann auf uns wartete, war sensationell: Dichte Wälder, Wiesen mit grasenden Kühen und viele schöne kleine Pyrenäendörfer lagen an unserem Weg. Die Landschaft geizte nicht mit ihren Reizen. Buchen, Eichen, Rotdorn, Haselnusssträucher, Ginster, Heide, ein wahrer Farbenrausch breitete sich vor uns aus. Licht und Schatten wechselten sich ab. Wir liefen über Wege, die sich durch Weiden schlängelten, um dann wieder in einem dichten Wald abzutauchen, oder aber die Sonne brach sich durch die Baumwipfel ihren Weg und berührte uns mit ihren Strahlen. Schmetterlinge, vor allem Pfauenaugen und Zitronenfalter, flatterten ständig um uns herum. Die Vögel zwitscherten um die Wette; es war ein perfekter Wandermorgen. In mir war eine große Dankbarkeit. Auch meine Rückenschmerzen waren kaum noch zu spüren.
    Irgendwann auf dem Weg, noch vor Zubiri, passierten wir eine Gedenktafel für einen japanischen Pilger, der 64 Jahre alt geworden war. Er war anscheinend an dieser Stelle gestorben. Um die Gedenktafel herum lagen viele kleine Steine aufgetürmt, Bänder wehten leicht im Wind. Andere Pilger hatten offensichtlich Zeichen der Anteilnahme hinterlassen. Wir waren geschockt und traurig. War er allein gestorben, starb er an Erschöpfung, wer hatte die Tafel aufgestellt? Keine unserer Fragen wurde beantwortet. Wir sprachen ein kurzes Gebet für den uns unbekannten Pilger und verließen dann die Lichtung. Wir versprachen uns gegenseitig, nie leichtsinnig zu sein und den eigenen erschöpften Körper immer ernst zu nehmen. Dies musste ich Gu vor allem für die Zeit versprechen, in der ich allein unterwegs sein würde.

    Wir sahen unsere bekannten Weggefährten immer mal wieder, andere nahmen wir zum ersten Mal wahr. Die verschiedenen Menschen auf dem Weg zu betrachten, sich bei dem kurzen Aufeinandertreffen mit ihnen zu beschäftigen, war ein interessanter Aspekt, meine Wahrnehmungen zu lenken. Spekulation und Wirklichkeit, inwieweit waren sie deckungsgleich?
    In Zubiri überquerten wir den Río Arga. Als wir über die Brücke Punte de la Rabia kamen, lag vor uns ein idyllisch gelegenes Plätzchen direkt am Fluss. Wir wollten es einigen anderen Pilgern gleichtun, die, bereits in der Mittagssonne sitzend, picknickten und sich vom Wandern ausruhten. Während Gu in das Dorf ging, um Brot, Käse, Schinken und Tomaten zu kaufen, suchte ich ein besonders schönes Plätzchen für uns aus. Ich rollte unsere Isomatten aus, platzierte die Rucksäcke als Rückenstütze und beobachtete das Treiben um mich herum. Ein Einheimischer stand mitten im Fluss und angelte, einige Kinder spielten in Ufernähe. Ein älterer Pilger machte im Schatten eines Baumes Entspannungsübungen und ich ließ mir wohlig die Sonne auf den Bauch scheinen. Die Sonne hatte so viel Kraft entwickelt, dass wir Hosenbeine und Shirtärmel aufrollten beziehungsweise abzippten.

    Unser einfaches Mittagsmahl schmeckte lecker. Gu grinste mich an und meinte nur: »Mit so wenig kann man so glücklich sein.« Ich

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