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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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waren unter Stöhnen hinterhergeschlichen. Wir wollten wissen, woran das seiner Meinung nach liege und er vertrat daraufhin die These, dass das weibliche Geschlecht einfach den größeren Willen habe und die bessere Durchsetzungskraft bei den ihnen wichtigen Themen. Deshalb sei er auch der festen Überzeugung, dass auf Dauer Frauen die Welt regieren würden. Allerdings meinte er auch, dass dieser Wille, etwas zu erreichen, bei einigen Frauen auch in totale Kompromisslosigkeit münden würde. Er nannte als Beispiel die deutsche Terroristin Ulrike Meinhof. Ich fand seine Thesen ganz schön gewagt, pflichtete ihm aber bei, dass Frauen oft den größeren Willen und die bessere Durchsetzungskraft hätten. Es waren vielleicht zehn Minuten, die wir miteinander gesprochen hatten, und dennoch hatten sie ausgereicht, um so ein Thema anzugehen. Diese intensiven, prägnanten Intermezzi finden auf dem camino nicht selten statt. Der übliche small talk hat wenig Chancen.
    Durch Schrebergärten verließen wir Viana und wanderten auf der Landstraße weiter. Bei der Kapelle Virgin de las Cuevas machten wir noch einmal eine kurze Pause, da der Rastplatz vor ihr so einladend wirkte. Unter sich leicht im Wind wiegenden Weiden und neben einem Bächlein standen ein paar Bänke. Dort saß bereits ein hoch aufgeschossener älterer Italiener, der uns zusammen mit einer grauhaarigen Frau schon häufiger aufgefallen war. Deshalb wussten wir, dass beide Italiener waren. Sie waren immer sehr freundlich. Augenscheinlich wartete er auf sie, denn wir hatten sie kurz vorher überholt. Ich teilte ihm mit meinen mageren sprachlichen Italienkenntnissen mit, dass seine Frau gleich da sein würde, da wir sie nur wenige Minuten vorher gesehen hätten. Er bedankte sich, stellte aber klar, dass Mirella, so ihr Name, und er, Walter, nur gute Freunde seien und beide aus Vincenza kämen. Mit beiden, Mirella war mittlerweile auch eingetroffen, plauderten wir noch ein wenig in einem Kauderwelsch aus Italienisch und Deutsch - Walter konnte ein paar Brocken Deutsch. Mirella verarztete in der Zwischenzeit ihre Füße, sie hatte schreckliche Blasen, die überhaupt nicht gut aussahen. Gu und ich waren beide froh, davon bisher verschont geblieben zu sein.
    Der weitere Weg führte durch ein Feuchtgebiet, das unter Naturschutz stand. Schilf, satte Wiesen, viele Weiden säumten den Weg. Zahlreiche Vögel waren zu sehen und zu hören. Irgendwann lag vor uns die Laguna de las Cañas, ein See, an dessen Ufer wir eine Zeit entlangwanderten. Logroño, die Hauptstadt von Rioja, war schon mit ihren Ausläufern zu sehen. Der Wanderweg war plötzlich asphaltiert und beanspruchte unsere Beine, die Sonne glühte jetzt in der Mittagszeit vom Himmel. Die hinter uns liegenden 22 km machten sich deutlich bemerkbar, laut Reiseführer hatten wir noch gute 6 km vor uns. Kurz vor der Überquerung des Río Ebro passierten wir ein kleines Haus, vor dem eine ältere Frau an einem Tisch unter einem Sonnenschirm saß und jeden Pilger, der vorbeikam, um seinen Pilgerpass bat, um ihn abzustempeln. Dabei sprach sie im munteren Spanisch, egal ob man sie verstand oder nicht. Geschäftstüchtig verkaufte sie auch kalte Getränke. Der Stempel ist einer der schönsten: Die Inschrift zeigt eine Muschel, einen Wasserkrug, ein Blatt und ein Kreuz sowie die Worte »Higos - agua y amor«, Feigen - Wasser und Liebe. Nach dieser netten Episode zogen wir lächelnd weiter.

     
    Fast eine Stunde später erreichten wir die mitten in der Altstadt gelegene Herberge in Logroño. Im Innenhof der Herberge stand schon eine lange Schlange, die nach und nach in Grüppchen von vier Personen eingelassen wurde. Vor uns standen bestimmt dreißig Personen und wir wussten nicht, wie viele bereits ein Bett zugewiesen bekommen hatten. Wir hofften inständig, dass auch für uns am Ende noch eines übrig war. Zunächst übten wir uns allerdings in Geduld. Die Zeit vertrieben wir uns mit Unterhaltung und Beobachtung. Vor uns in der Reihe war Hans-Jakob, einige »unserer« Franzosen waren schon da, auch Theo und Bert sahen wir wieder. Es war erstaunlich, wie viele ältere Pilger unterwegs waren. Einige waren bemerkenswert fit, bei anderen fragten wir uns, wie sie den täglichen Weg überhaupt bewältigten. In jedem Fall befand ich sie bewundernswert. Durch die Tür hindurch kamen die ersten geduschten Pilger mit noch nassem Haar und wuschen in einer extra dafür vorgesehenen Ecke des Innenhofes ihre Wäsche. Wie gerne wäre ich

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