Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela
Bergsteiger bei einer Wanderung in den Dolomiten bekommen.
Dadurch, dass die zwei bis drei Pflasterschichten direkt und geschlossen auf der Haut liegen, kann nichts reiben oder drücken, gleichzeitig ist das sehr feinporige Pflaster atmungsaktiv. Neue Haut kann sich so ganz einfach darunter entwickeln. Man sollte das Pflaster nur alle drei Tage wechseln. Es ist sensationell, es hilft tatsächlich. Den Rest des Tages schlich ich breitbeinig und fußlahm durch das Städtchen.
Aus Respekt vor den schattenlosen 18 Kilometern wanderte ich am nächsten Morgen im Stockdunkel aus der Stadt heraus. Es war noch keine halb sechs und nicht einmal die Vögel waren zu hören. Die Stadt lag noch im tiefen Schlaf, ein einziger roter Fiesta mit kaputtem Auspuff knatterte an mir vorbei. So ganz wohl war mir nicht. Wenn ich jetzt spurlos verschwinden würde, würde es jemand merken? War ich doch ein wenig zu leichtsinnig? Ich beruhigte mich, indem ich mir versicherte, dass ich nicht allein wanderte. Gott war bei mir. Durch die nächtliche Beleuchtung in Carrión hatte ich alle Pfeile gesehen, doch schließlich außerhalb der Stadt angelangt, richtete ich mit meiner Stirnlampe überhaupt nichts aus. Wo musste ich her? Verirren wollte ich mich nicht und dachte schon darüber nach, ob ich umkehren sollte, als ich in einiger Entfernung die Umrisse eines Menschen erkennen konnte. Ich beschleunigte meine Schritte. Es war Rudi, anscheinend war er für mich so etwas wie ein Helfer in schwierigen Situationen. Tatsächlich, er konnte mir den Weg weisen, da er ihn ja bereits gelaufen war. Ab jetzt konnte ich mich auch nicht mehr verlaufen, weil es nur noch schnurgeradeaus ging. Rudi ließ ich schnell hinter mir, er lief ein sehr gleichmäßiges und geruhsames Tempo. Hinterher ist man immer schlauer, ich hätte mir an ihm ein Beispiel nehmen sollen.
Der Morgen war fantastisch - Morgentau glitzerte über den Wiesen, das Licht veränderte sich langsam und der Himmel dämmerte mit leicht rotem Schimmer auf. Ein paar Schleierwolken durchbrachen das Farbenspiel von blassem Blau und zartem Rot. Je heller es wurde, desto lauter wurde es um mich herum. Das Staccato der Frösche war unüberhörbar. Die vielen unterschiedlichen Vögel zwitscherten wieder einmal um die Wette. Im Unterholz neben der Straße raschelte es immer wieder laut. In regelmäßigen Abständen zogen Störche, fast immer in Paarformation, keine zehn bis zwanzig Meter über mich hinweg. Auf den Wiesen waren anscheinend bereits andere ihrer Artgenossen auf Froschfang. In dieser Gegend mussten offensichtlich zahlreiche Störche nisten. Niemand war weit und breit zu sehen. Meine Empfindung war, dass die Natur nur für mich dieses Schauspiel des Erwachens und morgendlichen Aufbruchs bereithielt. Ich war so froh, dass ich meiner anfänglichen Furcht nicht nachgegeben hatte, und dankte für dieses Geschenk. Erst über zwei Stunden später, nach meiner ersten Frühstückspause auf einem abgeernteten Feld mit Blick über den endlosen Horizont, sah ich die ersten Pilger. Es waren Malin und Michael, meine schwedischen Wikingerfreunde, die so gar nicht skandinavisch aussahen. Mit ihnen wanderte ich schließlich bis Calzadilla de la Cueza, besser gesagt ich lief in einigem Abstand hinter ihnen her. Wenig später saßen wir mit ein paar weiteren Pilgern wie an einer Perlenschnur aufgereiht in der einzig offenen Bar des Dorfes und lechzten nach der kilometerlangen Anstrengung nach einer Erfrischung. Fast jeder hatte Schuhe und Socken ausgezogen, um die Füße zu lüften.
Im Dorf gab es eine Herberge, sogar mit Pool, auch die Bar mit angrenzendem Hostal sah einladend aus, aber immer noch hatte ich den Drang trotz latent vorhandener Schwellung weiterund weiterzulaufen. Am frühen Nachmittag erreichte ich mit schleppendem und müdem Gang Terradillos de los Templarios. Meine Hüfte tat höllisch weh, mein rechtes Bein spürte ich nur noch als harten und festen Klumpen. Im Refugio wurde ich dann für vieles entschädigt. Ich quartierte mich in einem Zimmer mit nur fünf Betten ein, von denen bis dahin nur eines besetzt war. Ich konnte also noch fast frei wählen. Während ich mich am Fenster »häuslich« niederließ, stand plötzlich Gabriella neben mir. Das andere Bett war ihres. Welche Freude, wieder ein bekanntes und liebes Gesicht! Ich mochte Gabriellas fürsorgliche und lebenserfahrene Art. Wir beide verbrachten den Tag mit Schlafen, Sonnen und vielen guten Gesprächen. Gabriella war
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