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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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gegenseitige Versprechen, uns irgendwann einmal wiederzusehen. Mit ihnen habe ich heute keinen Mailkontakt, aber ich bin mir sicher, irgendwo, irgendwann werden wir uns erneut begegnen.
    Traurig ging ich zur Herberge zurück. Prompt wurde ich aber wieder aufgemuntert, denn Paul, der mit Bernhard im Innenhof saß, verschaffte mir meine erste Begegnung mit Reiki. Er behandelte mein Bein mit dieser Heilmethode und tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass es unterstützend wirkte. Kurze Zeit darauf plauschten Steffi und ich noch ein wenig im Bett und teilten uns dabei ein Gutenachtbier. Zähneputzen sparten wir uns.
    Am anderen Morgen hieß es aufs Neue Abschied nehmen. Steffi wanderte weiter und Gabriella fuhr an diesem Tag nach Hause. Steffi und ich umarmten uns lange und innig. Diese junge, fröhliche, mutige Frau war mir wie eine kleine Schwester an mein Herz gewachsen. Wir versprachen uns in Verbindung zu bleiben, vielleicht klappte es über den uralten Nachrichtenweg, den es auf dem Camino gab. Man hinterließ einfach einen handgeschriebenen Zettel mit der entsprechenden Botschaft auf einem Pilgergrenzstein oder an einem anderen Pilgerhinweisschild und beschwerte das Ganze mit einem Stein. Dadurch, dass jeder diese Zettel lesen konnte, erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachricht den Empfänger erreichen konnte. Es war ein Tabu eine Info mitzunehmen, aber sie mündlich weiterzutragen war absolut in Ordnung. Ich habe eigentlich nur die Camino-Nachrichten gelesen, deren Inhalt offenkundig zu sehen war, bei denen der Adressat und die Nachricht auf einem Blatt standen, manche enthielten Zeichnungen oder waren sogar Liebeserklärungen. Die Nachrichten, die wie Briefe verpackt waren, habe ich nie gelesen, sie waren für mich tabu. Es erinnerte mich zu sehr an das zu wahrende Briefgeheimnis. Niemand anderes als der Adressat hatte sie zu lesen, signalisierten diese Botschaften und daran hielt ich mich.
    Sehen würde ich Steffi sicher nicht mehr, denn sie gehörte zu den Pilgern, die jeden Tag mühelos zwischen 30 und 40 Kilometern schaffen konnten. Es sollte aber ganz anders kommen, Steffi sorgte später für eine meiner größten Überraschungen auf dem Weg.
    Gabriella und ich konnten noch zusammen frühstücken, bevor sie ihren Zug nehmen musste. Wieder fanden wir uns in der kleinen Bar vom vorherigen Tag ein. Gabriella war zu einer lieben Freundin geworden. Ihre Fürsorge und Mütterlichkeit auf der einen Seite und ihre Unabhängigkeit, Neugier und Jugendlichkeit auf der anderen Seite sind eine tolle Mischung. Solche Menschen in ihrem Alter sind für mich Vorbild, wie ich mit dem Älterwerden umgehen möchte. Offen zu bleiben, zu schätzen, was lieb geworden ist, ohne eingefahren zu sein. Bereit zu sein, jederzeit noch etwas Neues dazuzulernen, aber auch andere von den eigenen Erfahrungen profitieren lassen zu wollen. Gabriella respektiert jüngere Menschen, das macht sie zusätzlich so liebenswert. Wir wollten auch nach unserer Rückkehr über E-Mail in Kontakt bleiben, was wir bis heute auch tun. Gabriella ist tatsächlich ein Jahr später von Neuem auf dem Camino unterwegs gewesen, von León bis nach Finissterre!

    Ich ging nicht mit hinaus, als Gabriella gehen musste, sondern blieb sitzen, um in meinem Tagebuch die letzten Ereignisse niederzuschreiben. Eine Frau, die vielleicht fünf Jahre älter als ich war, kam zur Tür herein und musterte mich intensiv, als ich aufschaute. Sie passierte mich, kehrte wieder zurück und obwohl sehr noch viele Tische frei waren, fragte sie mich auf Englisch, ob der kleine Tisch neben mir frei wäre, was er ganz offensichtlich war. Sie saß kaum, da sprach sie mich auch schon an: »Bist du Pilgerin? Was ist dir passiert?« Sie machte einen freundlichen Eindruck und eigentlich war ich froh, abgelenkt zu werden, denn der Abschied von Gabriella ging mir doch sehr nah, deshalb antwortete ich ihr wahrheitsgemäß. Myrna, so ihr Name, bohrte weiter nach: »Warum hast du nicht früher pausiert oder bist weniger gelaufen, du hast doch sicher schon vorher Schmerzen gehabt?« Ehe ich mich versah, war ich mitten in einem Gespräch über meine Verhaltensweisen, die innere Motivation, das, was mich antrieb, warum ich auf dem Jakobsweg war und was ich mir von meinem Pilgerdasein erhoffte. Ich war völlig erstaunt. Wie hatte diese Frau, die ich vor weniger als einer halben Stunde noch nie in meinem Leben gesehen hatte, es geschafft, mich so zum Reden zu bringen? Gut, ich war noch nie

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