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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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der Mittagshitze hätte laufen müssen. Bei den Nonnen konnte ich auch nicht länger bleiben, denn nur wenn man krank war, durfte man länger als einen Tag bleiben. Nach Hospital de Órbigo waren es fast 37 Kilometer mit dem Bus, sodass ich am folgenden Tag nur bequeme 20 Kilometer nach Astorga hatte. Dieser Plan würde meinem Bein bestimmt guttun, ein Tag mehr der Schonung. Ich hatte Hospital de Órbigo und nicht einen der Orte davor ausgewählt, weil ich mir ausgerechnet hatte, dass ich so immer noch genügend Zeit haben würde, nach meiner Ankunft weiter nach Finisterre zu wandern. Von Anfang an wollte ich bis an den Atlantik laufen.
    Die große Ute, die immer noch sehr angeschlagen war, schloss sich meinem Plan an. Ich hatte den Eindruck, dass sie nicht gern allein in León bleiben wollte. Einen Arzt hatte sie nicht aufgesucht, sondern verarztete sich lieber selbst. Die drei Münsterländer reisten ab in Richtung Heimat und mussten ebenfalls zum Busbahnhof. Ausnahmsweise leisteten wir uns ein Taxi, da die Station ein wenig außerhalb der Innenstadt lag. Dort angekommen war ich maßlos erstaunt, wie wenig wir für unser Busticket zahlten, ganze zwei Euro und fünf Cent! Während der Busfahrt erging es mir ähnlich wie auf der Zugfahrt, wieder fuhren wir eine Strecke in sehr, sehr kurzer Zeit, für die wir als Pilger zwei Tage benötigt hätten. Anders als im Zug fuhren wir diesmal zum Teil sehr nah an den Wanderern vorbei. Jedes Mal verspürte ich einen widersprüchlichen Impuls. Am liebsten hätte ich den Fahrer angehalten, um auszusteigen und mich anzuschließen, insbesondere wenn wir mir wohlvertraute Gesichter passierten. Andererseits hoffte ich, dass mich keiner hinter der vorbeiziehenden Glasscheibe erkannte; da war wieder das alte schlechte Gewissen.

    In Hospital de Órbigo angekommen, quartierten wir uns in die erste von insgesamt drei Herbergen ein, die es dort gab. Ich schrieb in mein Tagebuch: »Die Herberge ist bisher die Schönste«; sie blieb es auch. Witzigerweise fand ich später auf einem Wegweiser zu den Herbergen auf dem Pilgerweg in der Stadt eine Visitenkarte der Albergue San Miguel, auf deren Rückseite mir Steffi eine Nachricht mit Grüßen und einer Empfehlung für San Miguel hinterlassen hatte.
    Zum ersten Mal hatte ich Camino-Post erhalten. Unsere Unterkunft war von privater Hand geführt, alles war sehr sauber. Im ganzen Haus waren Bilder verteilt, viele davon in Öl. Wie sich herausstellte, nutzten die Pilger zum Teil die Gelegenheit, am Nachmittag zu malen. Es gab eine Gemeinschaftsküche, die wie eine gemütliche Bauernküche gestaltet war. Im Innenhof war unter einem überdachten Patio ein riesiger Glastisch aufgebaut, davor war ein kleiner Rasen angelegt, bepflanzt mit einigen Blumen und einem Baum. Die Zimmer waren geräumig mit großen Betten, die auch den unten Schlafenden Platz und Luft ließen. Die lustig rot karierten Matratzenbezüge, die quietschblauen Fenster und Türen sowie das freundlich-helle Holz der Betten heimelten an. Eine Jesusstatue in leuchtenden Farben, hoch oben in einer Ecke des Zimmers angebracht, wachte über unser Zimmer. Der Sanitärbereich war wie so oft nachträglich in Form von Kabinen installiert worden, eigentlich eine saubere und hygienische Regelung. Das ganze Haus zeigte viel natürliches Material, die Ziegelsteinwände waren nicht verputzt und bildeten einen schönen Kontrast zu dem vielen Holz der Decken und der übrigen Einrichtung. Darüber hinaus waren die Hospitaleras sehr zuvorkommend.

    Den Tag verbrachten wir mit Faulenzen, einer mittäglichen Siesta, Erkundung der Stadt und Einkaufen. Wir nahmen eine leckere Brotzeit am Mittag zu uns und fassten den Entschluss, am Abend gemeinsam mit Gisela, die wir hier beide zum ersten Mal sahen, zu kochen. Gisela ist Ärztin irgendwo im Bayerischen, die sich auf Homöopathie und Traumpsychologie spezialisiert hat. Am Nachmittag musste sie natürlich unsere Träume deuten und analysieren. Ich wollte wissen, warum ich immer wieder davon träume, dass ich fliegen kann, indem ich mich mit Luft aufpumpe, so über allem schweben und jeden und jedes genauestens beobachten kann. Gisela meinte, dass Träume vom Fliegen die Motive der Freiheit oder des Abstands, aus der Ferne betrachten zu wollen, beinhalten können. Diese Kurzdiagnose fand ich spannend, beides sprach mich an.
    Vor dem Kochen nutzte ich die Gelegenheit und ließ mich massieren. Ein mobiler Massageservice war in die Herberge gekommen und ein

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