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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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War dies die Erklärung dafür, warum er heute bei mir sein sollte, eine so banale Tatsache?
    Nach ungefähr eineinhalb Stunden bot sich uns beim steinernen Wegkreuz Santo Toribio der Blick auf Astorga, ein ehemaliger römischer Militärstützpunkt, Bischofssitz sowie ein wichtiger Knotenpunkt der Pilgerbewegung in Spanien. In Astorga treffen der Camino Francés und die von Sevilla kommende Via de la Plata zusammen.
    In mittelalterlichen Zeiten fanden Pilger in über 20 Spitälern Aufnahme, heute gibt es noch vier Herbergen zur Auswahl.

    Gegen Mittag waren wir in Astorga. Ich blieb in der Albergue San Javier, Daniel reichte das Tagespensum noch nicht und lief weiter. Ich war froh wieder allein zu sein. Mit dem Bein durfte ich auch nicht länger laufen. Das Wandern war zwar im Großen und Ganzen mühelos gegangen, aber eine leichte Schwellung war dennoch zu bemerken. Ich nahm mir fest vor, mich am Nachmittag gut zu schonen und eine ausgiebige Siesta zu halten. Die Herberge war ein riesiger renovierter Altbau mit 110 Betten. Zunächst hatte ich mir ein Bett in einem der kleineren Schlafräume ausgesucht, doch später zog ich in den großen, oberen Schlafsaal um. Im Gegensatz zu den unteren Räumen war es dort oben sehr hell und luftig. Außerdem ergatterte ich ein Einzelbett, das direkt unter dem Fenster lag und die Aussicht auf den Himmel ließ. Vor mir auf einem Fensterbrett breitete ich meine Sachen aus, über dem Bettlaken lag ausgebreitet eine Art Zierdecke, die scheinbar gerade frisch gewaschen worden war. Dieser Schlafplatz war der reinste Luxus: Soviel Platz um mich herum und die frische Luft strömte zum Fenster hinein. Ich war Elvira und Martin sehr dankbar. Sie lagen in Einzelbetten neben mir, und hatten mir einige Minuten vorher auf dem Flur den Tipp gegeben. Ich mochte die beiden sehr. Sie waren hilfsbereit, liebenswert und sehr kommunikativ. Menschen mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, wie man so schön sagt.
    Es ging sehr lebhaft in unserer Unterkunft zu. Durch die Größe und den offenen Charakter des Hauses mit Patio, innenliegenden Balkonbalustraden und einer mehr als geräumigen Wohnküche wirbelten die Pilger im ganzen Haus herum. Natürlich war wieder ein Kern meiner Pilgerschwestern und -brüder anwesend: Die drei Sachsen, das Schweizer Ehepaar, Klaus mit der Salbe und Elisabeth aus München. Die Franzosen, darunter Jacques, Patricia, Michél, Léon, ein Frankokanadier mit sehr lauter, durchdringender Stimme sowie Henri, der sich sichtlich freute, mich wieder auf Tour zu sehen. Auch in der Stadt traf ich später noch den einen oder anderen. Am meisten freute ich mich, dass ich Katrin mit dem roten Turban wieder traf, seit Hontanas hatte ich sie nicht mehr gesehen. Wir beschlossen, am Abend gemeinsam zu kochen, und machten uns auf, entsprechend einzukaufen. Danach ließen wir uns ein kühles Cerveza im Schatten der beiden großen Bauwerke der Stadt, der Catedral de Santa Maria und dem Palacio Episcopal, schmecken. Diese nachmittäglichen Stunden genoss ich besonders. Sich einfach treiben zu lassen, aber schon zu wissen, was der Abend für Aussichten bot, die neuesten Nachrichten auszutauschen, draußen zu sein, den Tag langsam an sich vorbeiziehen zu lassen, die Stunden und Minuten auszukosten, dies alles waren ungewohnte und schöne Bestandteile grenzenloser Freiheit. In einem Gedicht von Richard Erlewein stehen unter anderem die Zeilen: »Zeit zu haben, die Zeit vergessen zu können. Zeit zu haben, zu sehen und zu erkennen...« Wann nimmt man sich im Alltag Zeit, um die Zeit vergessen zu können? Wann hat man Zeit, andere zu sehen und anderes zu erkennen, aber auch sich selbst zu sehen und sich selbst zu erkennen? Hier auf dem Weg hatte ich diese Zeit, vorher war wenig oder gar keine Zeit dafür gewesen. Ich stellte fest, dass mit jedem Tag der Abstand von dem, was vorher war, größer wurde. Hatte ich anfangs noch darüber nachgedacht, inwieweit die neue Kollektion bereits fertiggestellt war, wie die Kollektionsübergabe laufen würde, oder ob Maike, meine Nachfolgerin, gerade mit der Kalkulation beschäftigt war, rückte das alles mehr und mehr in den Hintergrund. Ich dachte kaum noch an den alten Job. Ich beschäftigte mich mit dem was vor mir lag, jetzt ganz unmittelbar hier auf dem Weg und mit dem, was in nächster Zukunft auf mich zukam.
    Katrin war so lieb und brachte die Einkäufe in die Herberge zurück, damit ich Zeit hatte, die Kathedrale und den Palast zu besichtigen. Für diese

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