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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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Ungeduld konfrontiert werden würde, wenn ich für die Entscheidung, welchen konkreten Weg ich beruflich einschlagen sollte, sehr lange brauchen würde. Dann wäre im Handumdrehen der Punkt erreicht, an dem ich in hektische Aktivitäten verfallen und mich dabei aus dem Blick verlieren könnte. Ich wollte mir die Zeit gönnen, genau zu erspüren, was ich mir aus ganzem Herzen für mein Leben wünschte. Zu finden, was mir Zufriedenheit im Inneren schenken würde. Natürlich wusste ich schon einiges, war mir vieles bereits klar geworden. Ich wünschte mir eine Beziehung, bei der sich nicht wieder irgendwann plötzlich ein Ende auftat. Ich träumte von einer langfristigen Partnerschaft, wollte so gern auch wieder heiraten! Mit Gu, genau mit diesem Mann, wünschte ich mir ein Kind! Ich hoffte eine Arbeit zu finden, mit der ich Familie und Kind vereinbaren konnte. Ich hatte die tiefe Sehnsucht, bei all dem so sein zu dürfen, wie ich bin. Stark, aber auch weich; fordernd, aber auch unterstützend; belastbar, aber auch verletzlich. Der oben genannte Zusatz »ohne andere« erschien mir deshalb wichtig, schließlich wollte ich kein Egoist sein. Selbstverwirklichung auf Kosten anderer war und ist nicht meine Sache.
    Den zweiten Wunsch hatte ich mit meinem Neffen Justus formuliert: »Frieden für alle Menschen.« Für mich bedeutete dies keinen Krieg, nirgendwo auf der Welt. Kein sinnloses Gemetzel aus religiösen oder ethnischen Gründen. Nicht länger Krieg aus wirtschaftlichen oder machtpolitischen Antrieben. Liebe statt Hass, Aufeinanderzugehen statt Konfrontation. Frieden im Äußeren zu haben, aber auch im Inneren. Mit sich selbst im Frieden zu sein, auch das steckt in diesem Wunsch. Kann jemand noch Zwietracht säen, wenn er mit sich selbst in Einklang und Harmonie ist? Ich weiß, das ist ein großer Wunsch für zwei kleine Menschen wie Justus und mich. Aber hegen nicht die meisten von uns diesen Traum von einer friedfertigen Welt, auch wenn uns bewusst ist, dass es diese noch nie gab?
    Mitten in meine Überlegungen platzten zwei weitere Pilger. Es war unüberhörbar, dass sie jetzt hier oben angekommen waren. Obwohl ich den Platz teils als Müllkippe empfand, hatte ich meine Steine mit Andacht und Feierlichkeit abgelegt, nun fühlte ich mich gestört. Jetzt war ich extra früh aufgestanden, um eine gewisse Intimität zu haben, nichts hatte es genutzt. Alles wurde von den Herren lautstark kommentiert. Es waren Klaus und Rudi. Zu Rudi passte dieses Verhalten, er gab immer zu allem und jedem Bemerkungen ab, von Klaus hätte ich das nicht erwartet. In Molinaseca, meinem Tagesziel, sollte ich später die beiden wiedertreffen. Mit Klaus verbrachte ich sogar einige Stunden des Nachmittages und er entschuldigte sich dabei für sein Verhalten am Morgen. Daraus entspann sich eine wunderbare Unterhaltung, die auf beiden Seiten von großer Offenheit und gegenseitigem Vertrauen getragen war. Klaus hat ein hartes Leben hinter sich, trotzdem hat ihn sein Lebensmut nie verlassen. Viele Schicksalsschläge haben ihn gebeutelt, aber nicht aus der Bahn gebracht. Ich habe großen Respekt vor ihm.
    Nach dem Cruz de Ferro blieben Elvira, Martin und ich noch eine ganze Weile zusammen. Wir unterhielten uns angeregt und erfreuten uns der atemberaubenden Aussicht. Die Berge beeindruckten durch die sanft gerundeten und dicht bewachsenen Kuppen. Die Bienen und Hummeln summten und tummelten sich geschäftig in den verschwenderisch blühenden Pflanzen um uns herum. Gelber Ginster, blaulilafarbener Fingerhut sowie rosafarbene Erikabüsche und Zistrosen wechselten sich ab. Die Sonne schien vom fast wolkenlosen blauen Himmel herunter. Ein perfekter Wandertag. Nach einiger Zeit, Elvira und Martin wollten rasten, lief ich allein weiter. Ich war froh, denn so gern ich die beiden mochte, so gern mochte ich auch die Stille und die Einsamkeit, um meinen Gedanken nachzuhängen und mich ganz dem Moment des Wanderns hinzugeben.
    In El Acebo, einem kleinen, schönen Ort mit schiefergedeckten Steinhäusern und blumengeschmückten Baikonen und Fenstern, machte ich ausgiebig Rast. Abgesehen von der Pause am Cruz de Ferro war ich fast 18 Kilometer ohne Unterbrechung gelaufen. Mein Bein machte sich zwar noch nicht bemerkbar, aber ich wusste ja aus Erfahrung, dass ich es nicht übertreiben durfte. Außerdem war es die letzten Kilometer nur noch bergab gegangen und das war für die Muskulatur und vor allem für die Gelenke wesentlich anstrengender, als bergauf zu

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