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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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wandern. Nach einer Weile setzte sich ein älteres niederländisches Ehepaar zu mir, mit dem ich ins Gespräch kam. Beide pilgerten mit dem Fahrrad und der Mann erklärte mir, dass er diese Fahrt aus Dankbarkeit machen würde: »Im letzten Jahr war ich mit einer Gruppe von Freunden auf diesem Weg unterwegs und dabei hatte ich einen schweren Unfall. Ich lag sehr lange im Koma und hatte schwerste Verletzungen, auch am Kopf. Es war nicht sicher, ob ich überleben würde und es hätte sein können, dass ich danach mit schweren Hirnschädigungen aufgewacht wäre. Aber sie sehen ja selbst, ich bin wieder ganz gesund und ich bin überzeugt, dass mein Glaube an Gott dabei eine wichtige Rolle gespielt hat. Ich mache nun den Rest der Strecke vom Unfallort bis nach Santiago, um für meine Genesung zu danken, und bin froh, dass meine Frau mich dabei begleitet.« Man sah ihm wirklich nichts an, im Gegenteil, die beiden wirkten mit ihren sicherlich über 60 Jahren fit und sehr gesund, auch stand ihnen die pure Lebensfreude ins Gesicht geschrieben. Als ich El Acebo verließ, wurde mir wenig später klar, wie viel Glück dieser Mann gehabt hatte, denn ich kam an einem Denkmal vorbei, das an einen deutschen Pilger erinnert, der hier 1987 mit dem Rad tödlich verunglückt war. Dies war nun schon die dritte Erinnerungsstätte und wie bei den beiden anderen Stätten musste ich schlucken. Ich dachte daran, dass diese Pilger nicht mehr lebend nach Hause zurückgekehrt waren. Eine schreckliche Vorstellung. Wie viele Pilger waren wohl in früheren Jahrhunderten während der Wanderschaft gestorben? Sie waren sicherlich an Ort und Stelle begraben worden. Vielleicht waren sie aber auch so einsam gestorben, dass niemand ein Grab für sie hatte errichten können. Bestimmt ist keiner von ihnen in die eigene Heimat überführt und für die wenigsten ein Denkmal errichtet worden. Ihre Angehörigen erfuhren mit Sicherheit erst viel später vom Tod des Verwandten, wenn sie überhaupt Nachricht erhielten. Traurige Mutmaßungen, die von fröhlichem Geplauder und energischen Schritten unterbrochen wurden. Hinter mir tauchten wieder einige der Franzosen auf. Sie schienen wie immer bestens gelaunt und riefen mir beim Vorbeigehen nette Komplimente zu. Ihre Bewunderung für meine blauen Augen war charmant und in keiner Weise anzüglich, ihre gute Laune wischte meine elegischen Gedanken im Nu beiseite.
    Vorbei an teils sehr alten Kastanien-, Walnuss- und vielen Obstbäumen sowie Weingärten wurde ich, nachdem ich das nächste Dorf Riego de Ambros durchquert hatte, mit den Folgen eines Waldbrandes konfrontiert. Teile des Unterholzes waren verkokelt, das Schwarz war unübersehbar. Der Brand war laut meines Führers bereits über zwei Jahre her und die Natur hatte sich immer noch nicht erholt. War es Brandstiftung gewesen? Waren Menschen zu Schaden gekommen? Wie viele Tiere waren wohl gestorben? Wie lange hatte das Feuer gewütet, bevor es gelöscht worden war? Doch niemand beantwortete mir die Fragen. Das war etwas, an das ich mich gewöhnen musste. Beim Wandern von Ort zu Ort werden viele Fragen, die entstehen, einfach nicht beantwortet. Entweder, weil man allein ist, weil man sie später, nachdem man angekommen ist, zu stellen vergisst oder weil sie dann schlicht keine Relevanz mehr haben. Manche müssen auch nicht beantwortet werden. War es wirklich wichtig zu wissen, was bei dem Brand alles passiert war? Es reichte doch die Konsequenzen daraus zu sehen, Bilder dazu im Kopf zu entwickeln, damit ich wie auch andere gemahnt waren, niemals achtlos mit Feuer umzugehen.
    Die letzten Kilometer vor Molinaseca waren sehr anstrengend. Die Sonne schien erbarmungslos, es war schwül-warm und es sah nach Gewitter aus. Der Weg war steinig, voller Geröll und führte zum Teil steil abwärts. Mein Bein schmerzte sehr, als ich endlich die Stadt erreichte. Ein sehr schönes, kleines Städtchen mit vielen alten Bauwerken romanischen Ursprungs und einer sehr romantisch wirkenden Brücke, die über den Río Meruelo führte. Einige Badende erfrischten sich in dem sehr klaren Wasser: Ich bedauerte keinen Badeanzug mitgenommen zu haben. Aber wer denkt beim Pilgern auch an Schwimmen? Die Herberge war sehr ungewöhnlich. Im Inneren gab es unter dem Dach Betten, unten waren die Sanitäranlagen und eine Art Patio. Rund um das Haus war ein breites Vordach, unter dem ein Stockbett neben dem anderen stand. Der Wind zog um die Ecken, dass ich jetzt schon fröstelte. Wie war es wohl in

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