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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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sehr freuen über diese wunderschöne Überraschung!« Er wurde etwas rot und antwortete: »Ich hoffe, sie findet die Nachricht, sie hat heute Geburtstag!« Beschwingt lief ich weiter und ließ den Pilger mit der Rose räumlich, aber nicht gedanklich hinter mir. Es war ein heiterer Moment gewesen.
    Ich lief auf der linken Seite der Straße, als mir entgegenkommend eine Art Range Rover mit einem freundlich lächelnden Mann am Steuer neben mir zum Halten kam. Ich blieb auch stehen, da er mich offensichtlich etwas fragen wollte. Durch das auf der Beifahrerseite geöffnete Fenster schaute ich den vielleicht dreißigjährigen Mann an und versuchte mit meinen geringen Spanischkenntnissen seine Frage zu verstehen, was aber nicht klappte. Ich wollte ihn gerade bitten, seine Frage zu wiederholen, als ich durch die hektischen Bewegungen seines rechten Armes und das plötzliche Grinsen in seinem Gesicht bemerkte, dass seine Hose weit geöffnet war und sein erigierter Penis von ihm heftig bearbeitet wurde. Ich schrie, trat schnell zurück und machte, dass ich wegkam. Er fuhr mit quietschenden Reifen davon. Ich war sehr erleichtert und blieb voll Entsetzen über das gerade Geschehene stehen. Von Weitem sah ich einen Pilger im roten Shirt kommen. War der Mann deswegen weggefahren oder hatte er sich tatsächlich nur an meinem Entsetzen weiden wollen? Ich war total schockiert. In mir waren die widersprüchlichsten Gefühle. Zum einen war ich stocksauer auf diesen Mann, der auf diese Weise Frauen demütigte. Ich empfand dieses Verhalten als zutiefst erniedrigend und respektlos, denn es werden Grenzen überschritten, die im ureigensten persönlichen Bereich eines anderen Menschen liegen. Abscheu und Ekel kamen noch hinzu. Und ich fühlte Scham, viel mehr mein Schamgefühl war tief verletzt. Nacktheit gehört für mich mit wenigen Ausnahmen in die Privatsphäre. Zum anderen ärgerte ich mich über meine Gutgläubigkeit. Warum hatte ich etwas getan, was wir Kindern schon von klein auf beibringen, es nicht zu tun? Ich fing deshalb an, mir selbst die Schuld an dieser Situation zu geben. Ich konnte mich gerade noch darauf besinnen, dass dieser furchtbare Typ die Grenzen übertreten hatte und nicht ich. Diese widerstreitenden Gefühle waren anscheinend auf meinem Gesicht abzulesen. Ich stand immer noch wie paralysiert an der gleichen Stelle, als Rien vorbeikam und mich fragte, was denn los sei. Er war der Pilger mit dem roten Shirt. Es sprudelte nur so aus mir heraus, ich erzählte ihm, was gerade passiert war, und er reagierte großartig. Er ließ mich reden, war bei mir, ohne mir körperlich nahe zu kommen, war verständnisvoll und tat nichts beschönigend ab. Ich war ihm sehr dankbar. Bis Fuentes Nuevas blieb er an meiner Seite, dort machten wir gemeinsam Rast und, erst nach dem ich ihm versichert hatte, dass alles wieder in Ordnung war, ließ er mich allein. Als er weg war, fragte ich mich, warum das passiert war. Natürlich konnte ich weiter bei meinem Vorwurf an mich selbst bleiben, aber ich beschloss, diesen Vorfall als Anlass zu nehmen, Rien auf eine neue und angenehme Art kennen gelernt zu haben. Bisher waren wir uns nicht sonderlich sympathisch gewesen und hatten auch die Auseinandersetzung wegen der Fenster in Rabanal gehabt. Nun hatten wir beide die Zeit genutzt, um einander besser zu verstehen und aufeinander zuzugehen. In dieser Stunde lernte ich Rien von einer anderen Seite kennen, die ich noch nicht gesehen hatte. Ihm erging es genauso, wie er mir sagte. Ich erfuhr sehr viel von ihm und er von mir. Rien hatte mit seinen knapp 60 Jahren viel Lebensweisheit zu bieten und ich hörte ihm gern zu. Dieser unschöne Vorfall hatte unsere Herzen füreinander geöffnet, auf meinem weiteren Weg nach Santiago freute ich mich immer, wenn ich ihn wiedersah. Meister Eckhart hat einmal gesagt: »Immer ist der wichtigste Mensch der, der dir gerade gegenübersteht.« Genau dieses Gefühl hatte er mir gegeben und deshalb konnte ich den vorangegangenen Schock da lassen, wo er hingehörte - in den Abfalleimer meiner Erinnerungen.

    Zehn Kilometer waren es noch bis Cacabelos, meinem Tagesziel. Bis Camponaraya, der Stadt vor Cacabelos, war es ähnlich urban wie zuvor. Lang gestreckte kleine Orte, die von Wiesen und Baumgruppen gesäumt waren. Störche, Rien und ich hatten vorher schon zahlreiche von ihnen in den Wiesen stehen sehen, boten einen friedlichen Anblick. Ich lief nach wie vor auf asphaltierten Straßen und Wegen. Auto- und Radfahrer

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