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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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eine Flasche Vino tinto sowie Wasser auf. Es gab eine köstliche Fischsuppe, dann einen knackig frischen Salat, des Weiteren einen frisch zubereiteten Fisch mit Kartoffeln und Erbsen, danach eine Art Eintopf mit Kohl und gekochter Chorizo-Wurst. Zum Abschluss ein süßes Dessert und Obst zum Mitnehmen. Wir beide konnten uns nicht erinnern, wann wir das letzte Mal auf dem Weg so satt geworden waren, eigentlich war es sogar viel zu viel gewesen. Deshalb bekämpften wir unser Völlegefühl mit einem selbst gebrannten Schnaps des Hauses. Ute und ich hatten uns den ganzen Abend hervorragend unterhalten. Wir sprachen darüber, wie oft man immer und immer wieder dieselben Situationen durchlebte, sich urplötzlich von Neuem darin fand, obwohl man sich beim letzten Mal geschworen hatte, dass man nun endgültig daraus gelernt hatte. Wir kamen zu dem Schluss, dass man das Verhaltensmuster wahrscheinlich so lange wiederholt, bis man sich endgültig darüber im Klaren ist, welche Gründe dazu führen. Diese Selbstreflexion bietet die Chance, die wiederkehrenden Muster zu unterbrechen oder sie vielleicht besser anzunehmen, sie zu akzeptieren. Möchte man sie auflösen oder abstellen, muss man das auch wirklich wollen, sonst ist es von vornherein zwecklos.

    In dem Zusammenhang diskutierten wir auch über Grenzen. Wo sind die eigenen Grenzen? Wie setzt man Grenzen gegenüber anderen zum eigenen Schutz? Was macht man, wenn diese ständig überschritten werden? Wie verhält man sich dann? Wir tauschten uns über unsere eigenen Erfahrungen diesbezüglich aus. Es war ein sehr freimütiger Dialog, der von großem gegenseitigen Vertrauen getragen war. Es wurde für mich an diesem Abend erkennbar, wie hilfreich meine persönlichen Stärken in solchen Gesprächen waren: Zuhören können, klare Wahrnehmung, Intuition, Einfühlungsvermögen, Ehrlichkeit und unvoreingenommene Wertschätzung. Sie machen es leichter, eine offene, ehrliche und vertrauensvolle Gesprächsbasis zu entwickeln, bei der Impulse ausgetauscht oder gesetzt werden können, die beim anderen neue Denkanstöße freisetzen. In Ute hatte ich ein entsprechendes Pendant gefunden. In mein Reisetagebuch schrieb ich am nächsten Tag, angeregt durch den wunderbaren Abend mit Ute: »Ich kann mir immer mehr vorstellen, dass Beratung, Seelsorge oder Pädagogik auch mögliche Felder neuer beruflicher Orientierung für mich sein können.«
    Zum ersten Mal musste ich meine Regenkleidung von Kopf bis Fuß anziehen, es goss am nächsten Morgen in Strömen. Ich war wie immer früh losgegangen, der Regen hatte mich nicht abhalten können. Zu hoffen, dass er nach einiger Zeit aufhören würde, dafür gab es sowieso keine Garantie. Für den Fall hatte ich schließlich die Regenausrüstung mitgenommen und sie über Hunderte von Kilometern mitgeschleppt. Der Regen fiel in dichten Schnüren wie ein Vorhang aus Perlenketten. Die Felder und Wiesen, die in den Tagen zuvor viel Sonne gesehen hatten, lagen nun unter einer dichten Dampfglocke. Wie Nebel stieg dieser Dampf langsam empor. Die Dämmerung hatte schon längst begonnen, aber die Sonne versteckte sich hinter einer dichten Wolkendecke, es wurde nur langsam hell. Villafranca del Bierzo, das ich gemeinsam mit Sylvia, Peter, Elvira und Martin nach gut einer Stunde erreichte, lag wie ausgestorben vor uns. So gut wie niemand war zu sehen, die Fensterläden waren bei vielen Häusern noch geschlossen, kaum ein Laut drang nach außen. Eine einzige Bar im Ortszentrum hatte geöffnet, ihr heller Lichtschein fiel uns schon von Weitem ins Auge. Der frische Kaffeeduft tat sein Übriges und lockte uns endgültig in das warme Innere der kleinen Bar. Doch wenig später lief ich wieder allein durch den Regen. Ich hatte die anderen ziehen lassen. Sie hatten mich vor Villafranca bereits eingeholt und überholt, sie waren einfach schneller unterwegs, außerdem wollte ich alleine laufen. Nach wie vor gefiel es mir am besten, wenn ich ungestört meinen Gedanken nachhängen konnte, ohne den Druck zu haben, Konversation machen zu müssen.

    Das trübe Wetter passte zu der Wegstrecke dieses Tages. Der überwiegende Teil des Weges verlief parallel entlang der Nationalstraße, Autos und Lkws fuhren mit beträchtlicher Lautstärke an mir vorbei. Der Gehweg war asphaltiert und durch Betonmarkierungen von der Fahrbahn abgetrennt, alles war ein einziges Grau in Grau. Daneben durchzogen die Viadukte der neu gebauten Autobahn das Tal. Hier hatte der Fortschritt unserer

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