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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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gestrichen voll. Anscheinend reichten die körperlichen Beschwerden nicht aus, jetzt fing auch noch mein Seelenleben an, Kapriolen zu schlagen. Ich fluchte unterwegs, dann heulte ich wie ein Schlosshund. Ich war froh, dass mich niemand sah. Leider machte ich den Fehler und pausierte in Palais de Rei, wo ich auf Dagmar und später auf Kathrin traf. Eine Frage beiderseits genügte und die Tränen kullerten über mein Gesicht. Ich war total neben der Spur. Wieder allein auf dem Weg, führte ich mit mir Selbstgespräche, die schon fast in Selbstanklagen endeten. Warum passierte mir immer wieder aufs Neue, dass mein Körper nicht so wollte, wie ich wollte? Warum war ich am Tag vorher diese 35 Kilometer gegangen und hatte völlig ausgeblendet, dass das nicht ohne Folgen bleiben würde? Dessen hätte ich doch sicher sein können! Warum dachte ich ständig daran, auf jeden Fall bis Finisterre laufen zu wollen, statt mich erst einmal auf Santiago zu konzentrieren? Warum hatte ich so oft schon das übernächste Ziel im Auge? Was führte dazu? Sollte ich etwa auf diese Art und Weise immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden, bis ich es endlich verstehen würde? Nicht immer zu viel zu wollen? Alles mit meinem Willen und mit Disziplin durchboxen zu wollen? Zu lernen, dass man sich von ursprünglich gefassten Plänen lösen sollte, wenn es einfach nicht anders geht? Geduldig mit sich selbst zu sein? Die Ansprüche an sich selbst nicht zu hoch zu schrauben? Reichte die Erfahrung vor León nicht, musste ich es nochmals und nochmals erleben, bis ich meine Lektion kapierte? War dieses Verhaltensmuster vielleicht auch eine Erklärung für meine gescheiterten Beziehungen, an denen ich festgehalten hatte, bis es nicht mehr ging, obwohl ich bereits lange gespürt hatte, dass es für beide Seiten nicht mehr gut war? Nach dem Motto, das schaffe ich schon, es ist nicht so schlimm, das kriege ich schon in den Griff?
    Ein sehr anheimelnd wirkender Landgasthof, auf einer schönen Lichtung gelegen, unterbrach meine Gedanken. Er kam wie gerufen. »Hier beende ich meine Wanderung für heute. Jetzt höre ich auf das, was mir mein Körper förmlich zuschreit. Ich ruhe mich jetzt aus, egal, was ich mir für heute eigentlich vorgenommen habe!«, so sprach ich zu mir selbst.

    Die Casa Domingo bot nicht nur Pilgern, sondern auch anderen Gästen Unterkunft. Ich war die Erste, die im Schlafsaal ein Bett belegte. Alles war frisch geputzt und die Dusche war jungfräulich. Meine erste Belohnung für die getroffene Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten. Ich beruhigte mich zusehends, mein Innerstes war nicht mehr so aufgewühlt wie vorher.
    Als ich vor dem Haus in der Sonne saß, kam Minke vorbei und machte spontan Pause, entschied sich sogar später ebenfalls hier zu bleiben. Kurz darauf passierte Hans-Jakob den Gasthof, hielt ebenfalls für eine Rast an und leistete uns Gesellschaft. Er hatte noch einen Gast mitgebracht. Auf seiner Hose hatte sich hinten am Gesäß eine kleine Schnecke festgesetzt. Schlau, wie sie war, hatte sie dadurch eine lange und kräftesparende Reise angetreten. Wir mussten alle sehr schmunzeln. Mir ging es immer besser, ich hatte mich gefangen. Es bewies sich erneut, dass geänderte Pläne immer auch Neues und Schönes bereithielten. Man musste nur loslassen können. Der Nachmittag und Abend war sehr entspannend. Minke als gelernte Physiotherapeutin bot mir eine Massage an, die ich mit Freuden annahm und sehr genoss. Sylvia und Peter, das Schweizer Ehepaar, traf ich hier auch wieder. Zum ersten Mal kam ich mit ihnen länger ins Gespräch, bisher waren sie ja eher zurückhaltend und für sich geblieben. Sie waren an diesem Tag sehr offen und zugewandt. Wie Rien, meinem Retter in der Not, den ich ebenfalls nach langer Zeit hier wiedertraf. Die Atmosphäre in und um das Gasthaus war wohltuend, ruhig und angenehm besinnlich. Der schöne Garten mit Hängematte, Liegestühlen und Sitzgelegenheiten unter den Schatten spendenden Bäumen lud förmlich zum Ausruhen und Relaxen ein. Es war eine sehr gute Entscheidung gewesen, hier zu pausieren.
    Am nächsten Morgen versprach ich mir selbst, nur so weit zu gehen, wie ich wirklich konnte. Kathrin hatte mir eine SMS geschickt, ob ich auch nach Arzüa kommen würde. Sie würde dort auf mich warten. Ich hatte zurückgeschrieben, dass ich es versuchen würde, aber nicht versprechen könne.
    In der ersten Bar am Weg gab es ein großes Wiedersehens-Hallo. Henri, Leon, Jacques und Michel,

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