Karrieresprung
einfache, schöne und schnelle Geschichte, die sich flüssig lesen sollte. Einen eleganten, ausgefeilten Schriftsatz, eine reife Leistung. Knobel durchlitt bleich das unglückselige Gespräch, entschuldigte sich endlich und gelobte seinen vollen Einsatz. Er schämte sich seiner Undankbarkeit, ruderte mit gewaltigen Schlägen zurück und bangte um den Schaden, den er angerichtet hatte.
Rosenbooms Stimme wurde unerwartet mild.
»Es soll nicht umsonst sein«, schloss er. »Sie berechnen Ihre Tätigkeit einfach nach Stundenaufwand.«
Knobel wehrte sich gegen das verheißene Honorar, er wollte es unter keinen Umständen haben. Matt wiederholte er, dass er alles in seiner Macht Stehende tun wolle.
21
Abends vertröstete er Lisa mit der Ausrede, beruflich noch einmal fort zu müssen. Sein Aufstieg in der Kanzlei hatte ihre früheren Fragen nach seiner Arbeit seltener werden lassen. Nun beschränkte sich Lisa lediglich darauf, erst nachzufragen, wenn er ihr die Nachfrage in den Mund legte. Die sichtbaren Zeichen seiner Karriere hatten die Frage nach dem Warum entbehrlich gemacht. Einsatz und Erfolg bedingten sich wechselseitig und wiesen auf ein in Umrissen erkennbares Ziel, von dem beide fest wussten, dass sie es für die zu gründende Familie erreichen mussten. Ihr Blick war in die Zukunft gerichtet, seine vergebliche Suche nach dem Glück in der Vergangenheit war der Gewissheit gewichen, dass er das vollkommene Glück erst in der Zukunft finden und er alle Fallstricke auf dem Weg dorthin mit Durchhaltevermögen überwinden müsse. Knobel war entschlossen, sich den Herausforderungen zu stellen; er würde den Wettlauf mit den Umsatzzahlen aufnehmen. Er wollte es für sich und für seine kleine Familie. Erstmals dachte er über den Tag hinaus und fühlte sich eigenartig stolz verantwortlich.
Nach dem unglücklichen letzten Gespräch mit Rosenboom hatte er sein anfängliches Zögern in einem persönlichen Fax an seinen Mandanten relativiert, ohne dass sich seine Bedenken verflüchtigt hatten. Es diente lediglich dazu, seine Loyalität zu dokumentieren. Er hatte im Nachhinein erkannt, dass die Loyalität im Grunde der wesentliche Wert war, der seine Beziehung zu Rosenboom prägte. Hatte er sich zunächst in der schwierigen Gratwanderung zwischen dienender Folgsamkeit und beratender Kritik versucht, so lernte er nun, dass die Bedeutung der Rosenboom-Mandate jede Missdeutung seines Einsatzes verbat.
Sein Fax beschränkte sich deshalb allein auf das Gelöbnis der Loyalität, und Tassilo Rosenboom antwortete umgehend, ebenfalls per Fax:
»Ich danke Ihnen, mein Freund.«
Anschließend fuhr Knobel in die Brunnenstraße.
Die knorrigen Bäume warfen die ersten Kastanien auf das Pflaster. Er vermisste die schrillen Stimmen der Mütter, die ihre Kinder riefen.
Knobel blieb unauffällig. Als er vor dem La dolce vita stand, sah er durch die gelben Scheiben, dass das Lokal gut gefüllt war. Musik drang dumpf nach außen und dröhnte lärmend auf, wenn sich für kurze Zeit die Tür öffnete.
Nach dem vierten oder fünften Mal sah er für Sekunden die junge Frau rauchend und lachend hinter der Theke.
Lautes Stimmengewirr und verbrauchte rauchige Luft schlugen ihm entgegen, dann fiel die Tür wieder ins Schloss, und er zog sich auf die andere Straßenseite zurück und wartete.
Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt warten sollte und stand zunächst eine Weile unentschlossen. Dann ging er gelangweilt auf und ab. Schließlich umrundete er den Häuserblock, als er das Gefühl hatte, dass man ihn aus den Fenstern beobachtete und sich fragte, was er wolle.
Knobel wollte in Bewegung bleiben. Er lief einmal im Uhrzeigersinn um die Häuser und ein anderes Mal in der Gegenrichtung. Seine Gedanken kreisten ständig um die Frage, ob die junge Frau hinter der Theke ihm in der Sache Weinstein überhaupt weiter behilflich sein konnte.
Auf der Suche nach einer halbwegs glaubhaften Geschichte, die die angebliche Schenkung Weinsteins an Rosenboom hätte erklären können, war Knobel auf die Idee gekommen, sich dem Fall über die Person Weinsteins zu nähern und so zu einer Geschichte inspiriert zu werden. Die vom Gericht gesetzte Frist zur schriftlichen Erwiderung auf Weinsteins Klage lief in zehn Tagen ab. Von Weinstein wusste er bis auf dessen Namen und Adresse nichts. Und Rosenboom schied als Informationsquelle aus.
Knobels nächster Gedanke war auf Weinsteins Anwalt gefallen. Übereilt hatte er den Kollegen angerufen. Die herbe Stimme
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