Karrieresprung
einer Büroangestellten hatte seinen Namen erfragt und sich artig erkundigt, in welcher Sache er anrufe. Die Stimme hatte erklärt, verbinden zu wollen und noch mal nach seinem Namen gefragt. Knobel hatte ihn gereizt wiederholt, doch als es schnarrend »Was kann ich für Sie tun, Herr Kollege?« aus dem Hörer klang, wusste Knobel nicht recht, was er sagen sollte. Er hatte sich auf das Gespräch nicht vorbereitet. Gewiss hätte er viele Fragen zu dem Fall gehabt, doch zweifellos würde der Kollege genau diese Fragen nicht beantworten können oder wollen. Hilflos hatte Knobel erklärt, dass er Rosenboom auch in diesem Rechtsstreit vertreten werde.
»Aha.«
»Es kann sein, dass ich Fristverlängerung brauche«, sagte Knobel.
»Die kann Ihnen nur das Gericht gewähren.«
»Ich wollte Sie nur informieren.«
»Ich bin ohnehin überlastet«, schnaufte der Kollege.
»Kann ich auf Ihr Einverständnis hoffen?«
»Kommt auf meinen Mandanten an.«
»Würde Ihr Herr Weinstein denn der Fristverlängerung zustimmen?«
Knobel hatte gehofft, mit dieser belanglosen Frage wenigstens etwas über Weinstein zu erfahren. Würde Weinstein so hart sein, dass er sich selbst einer unbedeutenden Fristverlängerung verweigerte?
»Ich werde mit ihm sprechen, wenn es soweit ist«, war die kurze Antwort.
Kurz darauf hatte Knobel das Gespräch ergebnislos beenden müssen.
In den Fenstern in der Brunnenstraße erlosch nach und nach das Licht. Hinter einigen Fenstern flackerte noch bläulich das Fernsehen.
Knobel umkreiste auf fester Route den Häuserblock. Alle zehn Minuten passierte er das Haus Brunnenstraße 8 und lauschte im Vorbeigehen der Lautstärke der nach außen dringenden Stimmen. Kurz vor Mitternacht bezog er gegenüber dem La dolce vita Stellung.
Vereinzelt tropften noch Gäste aus der Wirtschaft. Die Musik erreichte ihn leiser und klarer.
Knobel blieb stehen.
Aus den Häusern beobachtete ihn keiner mehr.
Er hatte sich Worte überlegt, mit denen er das Gespräch beginnen könnte. Am frühen Abend hätte er sein Erscheinen im Lokal als launiges Vorbeikommen nach Büroschluss abtun können, aber sein nächtliches Warten riss die vorbereitete Kulisse ein. Das stundenlange Warten machte ihn nackt. Sein Atem stieß in gräulichen Schleiern in die Nacht. Hände knetend wechselte er zwischen den Straßenseiten diesseits und jenseits des La dolce vita .
Den neuen Fall Weinstein gegen Rosenboom hatte er nicht mit Lisa besprochen. Wenn er Lisa von Rosenboom erzählte, redete er von einem normalen Mandanten, dem keine herausragende Stellung zukam. Gelegentlich berichtete er von einigen Rosenboom-Firmenmandaten, deren Bearbeitung er sich mit Dr. Hübenthal teilte. Es waren unkomplizierte und nüchterne Fälle. Soziierung und Mercedes jedoch waren für Lisa vom Namen Rosenboom losgelöst.
Die Musik im Lokal endete abrupt. Knobel wartete nervös, bis das Licht erlosch und lauerte hinter einer Kastanie. Als die junge Frau auf die Straße trat und die Tür abschloss, stellte er sich hinter sie und musste dabei in den Schein der Straßenlaterne getreten sein und Schatten geworfen haben. Sie wandte sich träge um. Knobel trat schüchtern auf sie zu. Sie hatte sich eine Strickjacke über ihr blaues Kleid geworfen. Knobel roch ihren Schweiß und Zigarettenrauch.
»Ich war vor einiger Zeit schon einmal hier.«
Sie fingerte an dem Schlüsselbund herum.
Er trat aus dem Lichtkegel.
Knobel kam sich albern vor. Trotzdem sagte er seine einstudierten Worte auf.
»Ich möchte noch mal mit Ihnen reden.«
»Sie wollen was über Weinstein wissen?« wiederholte sie fragend.
Sie löste sich von ihm und ging die Brunnenstraße nordwärts.
Knobel blieb knapp hinter ihr, wie ein Schüler, der gehorsam seinem Lehrer folgt.
»Bitte, ich muss alles über Weinstein wissen.«
»Der Keller ist wieder offen, und er hat die Mieten nicht erhöht. Mehr weiß ich nicht.«
Sie war müde und gereizt.
»Was ist mit dem Keller? – Bitte! Ich würde nicht fragen, wenn es nicht wichtig wäre. Vielleicht sollte ich an einem anderen Tag wiederkommen, oder kann ich Sie anrufen?«
Sie gingen schweigend weiter.
Vor Nummer 26 blieb sie plötzlich stehen.
Der Wind rauschte durch die Baumwipfel und trieb Blätter auf den Asphalt.
»Ist der Prozess wegen dieses Kellers immer noch nicht zu Ende?«
»Doch. Es gibt schon wieder einen neuen. Wieder Weinstein gegen Rosenboom. Und ich verstehe ihn so wenig wie den ersten Prozess.«
Sie sah ihn prüfend von der Seite
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