Karrieresprung
er entschuldigend.
Knobel ging in den Aktenraum im zweiten Stock. Er fühlte sich unbefugt und aus den gegenüberliegenden Häusern der Prinz-Friedrich-Karl-Straße beobachtet. Die meisten Fenster waren dunkel, hinter einigen flackerte das Fernsehen. Im Neonlicht des Aktenraumes durchsuchte er die hier untergebrachten Rosenboom-Akten, zumeist mehrbändige Vorgänge mit langwierigen Prozessen. Er nahm Ordner für Ordner in die Hand und suchte auf jeder Seite den Namen Weinstein.
Er fand ihn nicht.
31
Seit seiner Soziierung hatte Knobel nicht mehr mit Dr. Hübenthal allein in dessen Büro gesessen.
»Ich weiß, dass die Vertretung meines Freundes Tassilo in den Prozessen gegen Weinstein unbefriedigend ist«, gab der Senior zu. »Doch so sehr Ihr Nachbohren verständlich ist, das ja geradezu notwendiges Engagement des Anwalts sein muss, bitte ich Sie, jetzt in der Sache nicht weiter zu insistieren.«
Dr. Hübenthal wiederholte Rosenbooms Worte, und Knobel wiederholte sein Angebot gegenüber Rosenboom, behilflich sein zu wollen, aber seine Worte klangen matt und dünn.
Der Senior lächelte väterlich.
»Ich möchte Sie in weitere Mandate einbinden. Professor Sebastian von Mösenbechtel von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Johann Kriegelstein, Geschäftsführer der gleichnamigen Lederwaren GmbH, Friedemann Vogelbrenner, jüngst in den Vorstand eines Autokonzerns berufen. – Beste Namen aus der Wirtschaft.«
»Alles Freunde von Rosenboom«, stellte Knobel fest. »Jedenfalls waren sie auf seinem sechzigsten Geburtstag.«
Dr. Hübenthal nickte. »Sie wissen, dass Rosenboom Mandatmultiplikator ist. – Gottlob ist es so.«
»Weshalb kommt Herr Vogelbrenner zu uns?«
»Unterhalt für eine uneheliche Tochter. Ich weiß, so was fällt eigentlich in das Fachgebiet von Frau Meyer-Söhnkes. Aber er kann nicht mit Frauen. Jedenfalls nicht geschäftlich.«
Dr. Hübenthal lachte meckernd.
»Also machen Sie diese kleine Sache. Aus solchen Sachen wächst meist was Größeres nach. Denken Sie an seine Verbindungen. Er wird unseren Namen weitertragen.«
»Natürlich.«
Dr. Hübenthal erhob sich.
»Herr Knobel?«
Er wandte sich um.
»Ja?«
»Franz Weinstein ist der frühere Ehemann von Rosenbooms jetziger Ehefrau.«
»Ach.«
»Ich meine, Sie sollten das wissen. Da Sie keine Ruhe geben und womöglich überall Nachforschungen anstellen, sage ich Ihnen lieber gleich, was ich weiß.«
Er stand auf, zog eine Akte aus einem kleinen Schrank und reichte sie Knobel.
»Nehmen Sie sie, wenn es Ihnen hilft.«
Knobel sah flüchtig auf die Aktenbezeichnung: Rosenboom, Tassilo, Ehevertrag .
Zurück in seinem Büro begann Knobel die Akte zu studieren. An die Notariatsakten, die sich im Büro des Seniors unter Verschluss befanden, hatte er bei seinen Recherchen nicht gedacht. Die Feindschaft zwischen Weinstein und Rosenboom hatte seine Aufmerksamkeit wie von selbst nur auf die Prozessakten gelenkt. Er wusste, dass der seinerzeitige Verkauf des Hauses Brunnenstraße 8 bei einem Notar beurkundet worden war, den Weinstein ausgesucht hatte. Deshalb war das Notariat in der eigenen Kanzlei als Informationsquelle nicht ernsthaft in Betracht gekommen.
Knobel las den Ehevertrag. Ein wechselseitiger Ausschluss aller Verpflichtungen, die sich bei einer Scheidung ergeben könnten. Sophie Rosenboom würde also im Fall einer Scheidung von ihrem Mann nichts bekommen.
32
Am folgenden Dienstag erschien Marie in der Kanzlei. Sie hatte unter dem Namen Audero bei Frau Klabunde um einen Termin gebeten und zugleich darauf gedrungen, schnellstmöglich bei ihrem Anwalt vorsprechen zu können. Die Sekretärin wusste aus Dr. Reitingers Zeiten mit den brandeiligen Sachen umzugehen. Fürsorglich erkundigte sie sich, worum es denn gehe, während sie im Hinblick auf den übervollen Terminkalender des Herrn Rechtsanwalts den frühestmöglichen Termin erst für den kommenden Donnerstag in Aussicht stellte. Doch Marie ließ sich nicht vertrösten. Sie verriet, dass es um Leben und Tod gehe. Frau Klabunde relativierte, dass es bestimmt nicht so schlimm sei, und Marie steigerte, dass es fast schon zu spät sei. An dieser Stelle ergab sich Frau Klabunde. Sie mochte keine Verantwortung und hyperventilierte. Alle Termine waren nunmehr möglich, aber Marie nahm die unmittelbare Todesbedrohung zurück und ließ fünfzehn Uhr genügen.
Marie musterte kurz sein Büro.
»So sieht’s hier also aus.«
Seine Requisiten beeindruckten sie nicht. Sie schob die
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