Karrieresprung
die Phantasie seiner Zuhörer an. Man erkannte den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit und bewunderte Knobel, der virtuos mit Gesetzen umging und sich in deren Fallstricken mit Geschick bewegte und als feinsinniger Taktiker mit dem richtigen Gespür als Anwalt für alle Fälle empfahl. Er war zur geachteten und überall gern gesehenen Person geworden. Seine zwischenzeitliche Annäherung an Löffkes kämpferische Darstellung hatte sich wieder verflüchtigt, vielmehr vermied Knobel mit wachsender Selbstsicherheit die klotzige und über jeden Zweifel erhabene grobschlächtige Prahlerei, die den errungenen Erfolg in den Vordergrund drängte und wusste nun seine Zuhörer mit der spannenden Darstellung der sich im Laufe seiner Fälle entwickelnden Fallstricke zu fesseln, die es alle mit Umsicht zu entdecken und mit ausgefeilter List zu umgehen galt.
Lisa appellierte an sein Machtbewusstsein. Jetzt tat sie es mit Blick auf Frau Klabunde. Sie erinnerte ihn daran, wie er Frau Klabunde abgebürstet hatte, als er Dr. Reitingers Vertretung übernahm. So müsse er jetzt ebenso auftreten. Er müsse das Befehlen lernen. Doch Knobel wollte noch immer kein Befehlen um der Macht willen, er wollte weiterhin das versöhnende Wort, die höfliche Bitte. Er wollte keine Macht gegen andere ausüben. Knobel setzte auf Konsens.
Lisa blieb nachsichtig. Er sei unverbesserlich, und er stimmte ihr dankbar zu. Die unverbesserliche Weichheit war Wert an sich, ein Bollwerk gegen die Verrohung, ein Schutz davor, ungerecht mächtig zu werden, und er erhob seine Weichheit zum Ideal, zur heimlichen Macht.
Als sie ihr Gespräch beendet hatten, beauftragte er Frau Klabunde mit einer Reihe nutzloser Aufgaben. Sie unterbrach missmutig seine salvenartigen Befehle und sagte, dass sie sich alles aufschreiben müsse. Er nickte und wiederholte seine Anweisungen, als sie mit Block und Stift vor seinem Schreibtisch saß. Es waren Strafarbeiten, und Frau Klabunde empfand sie auch als solche. Er ließ seine Macht blitzen und machte exemplarisch eine Ausnahme von seiner Regel.
33
»Weinstein pfändet!«, schrie Rosenboom durchs Telefon. »Zahle ich Ihnen nicht genug?«
Knobel musste gestehen, gegen Weinstein noch keine Klage auf Abwehr der Vollstreckung aus dem Urteil erhoben zu haben, aufgrund dessen Rosenboom die Darlehenssumme an Weinstein zurückzuzahlen hatte.
»Sie müssen die Zahlung an Weinstein nachweisen«, haspelte Knobel, »senden Sie mir den Zahlungsbeleg, aus dem sich ergibt, dass Sie die ganze Summe schon an Weinstein überwiesen haben. Ich erhebe dann sofort Klage gegen die Pfändung.«
»Wir haben uns vor einigen Tagen über das Problem unterhalten. Ich erwarte Ihre Loyalität, nichts weiter. Aber Sie enttäuschen mich.«
Rosenboom schnappte hörbar nach Luft.
»Nichts haben Sie getan. Absolut nichts!«
Knobel bemühte sich um Sachlichkeit.
»Haben Sie denn schon an Weinstein gezahlt?«
»Sie sollen klagen! – Ich werde Ihnen noch heute eine vierstellige Summe zahlen. Honorar, verstehen Sie? Erstellen Sie über diesen Betrag eine Gebührenvereinbarung, damit Ihr königliches Honorar für diese kleine Sache buchhalterisch darstellbar ist. Damit es nicht an den so wichtigen Formalien mangelt. Und dann, verdammt noch mal, werden Sie endlich klagen.«
Knobel staunte, dass er sich nicht so erregte, dass ihm die Worte versagten.
»Wenn Sie an Weinstein noch nicht gezahlt haben oder die Zahlung aus irgendwelchen Gründen nicht nachweisbar sein sollte …«
»Erheben Sie Klage!«, unterbrach Rosenboom ihn schroff. »Viertausend für Ihr Honorarkonto. Oder sagen wir fünftausend. – Wo stünden Sie jetzt, wenn Sie mich nicht hätten? Wo stünde die Kanzlei? Wer sorgt für immer neue Mandate, eigene und neue, herangekarrt aus alten Freundschaften, aus Unternehmerzirkeln, aus Verbänden, aus der Politik? – Nun, wer?«
Knobel antwortete nicht.
»Na also«, keuchte Rosenboom. »Das Honorar gelangt noch heute zu Ihnen.«
Dann hängte sein Mandant ein.
Knobel ließ sich die letzte Prozessakte Weinstein gegen Rosenboom bringen, las das Rubrum der gegnerischen Klageschrift und ersah daraus, dass Franz Weinstein in der Märkischen Straße wohnte. Dann ließ er sich von Frau Klabunde mit Weinstein verbinden.
»Ich bin froh, dass ich Sie erreiche. Wir haben uns vor einiger Zeit vor Gericht gesehen. Sie erinnern sich bestimmt: Ich bin der Anwalt von Herrn Rosenboom«, begann er. »Ich sage Ihnen gleich vorweg, dass ich zuvor nicht mit
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