Karrieresprung
Akten auf seinem Schreibtisch beiseite und entleerte ihre Tasche auf der Tischplatte. Dutzende von Fotokopien ausgeschnittener Zeitungsartikel raschelten heraus.
»Es ist alles, was über Rosenboom in den letzten zehn Jahren in unserer Presse erschienen ist.«
Knobel nahm einige Ausschnitte in die Hand. Berichte über eine Expansion der Rosenboom GmbH & Co., Aufkauf eines Zulieferanten, Jubiläen, großzügige Spenden für einen Kindergarten, bewältigte Krisen nach Umsatzeinbrüchen. Viele Artikel waren bebildert: Tassilo Rosenboom gutgelaunt im Kreise anderer Unternehmer, im Kreise von Landtagsabgeordneten, bei der Kindergartenspende von glücklichen Indianern umringt, er selbst mit Häuptlingsfeder. Manchmal blieb Rosenboom im Bildhintergrund: als unaufdringlicher Berater, als Wächter über die klug von ihm gesponnenen Fäden. Dann Rosenboom als Thema: Der Vorzeigeunternehmer, flexibel und sensibel im erfolgreichen Kampf auf dem sich verschärfenden Markt.
Knobel blätterte durch die Kopien. Rosenbooms Posen ließen sich gliedern: Rosenboom stand und lächelte, schüttelte Hände, meist schaute er in die Kamera, zeigte sich nachdenklich, geduldig zuhörend, demonstrierte Optimismus, dass sich die dunklen Wolken am Wirtschaftshimmel verzögen. Die Politiker klebten an ihm. Rosenboom war Garant des wirtschaftlichen Wachstums, ein Paradebeispiel für das Wenn man nur will, dann kann man , ein Gestalter, der die Politik bestätigt und keiner, der maulend etwas von ihr fordert. Die Politiker feierten gern mit ihm, denn es gab kein schlechtes Gewissen beim Champagnergenuss. Man beglückwünschte einander und durfte auf das Geleistete stolz sein. Der Politiker, weil er die Rahmenbedingungen schuf und Rosenboom, weil er den Rahmen mit maximalem Gewinn ausschöpfte.
Marie grinste. »Das eigentlich Wichtige ist dies hier …«
Sie griff in ihre Tasche und präsentierte einen Artikel aus dem Stadtanzeiger, rund drei Jahre alt, eine kurze Notiz über Rosenbooms Heirat.
… Rosenbooms neues Glück, Sophie Rosenboom, heiratete ebenfalls zum zweiten Mal. Ihr geschiedener erster Ehemann, Franz Weinstein, wartete vor dem Standesamt auf die Frischvermählten und gab seiner Exfrau einen Kuss. Tassilo Rosenboom nahm’s mit Wohlgefallen …
»Und? Wie finden Sie das?« Maries Stimme klang triumphierend.
»Ungeheuerlich«, staunte er.
»Weinstein will Rosenboom fertigmachen, weil er seine Frau noch liebt.«
Knobel konnte sich nicht vorstellen, dass Weinstein aus verschmähter Liebe diesen Aufwand trieb.
»So oder so muss es etwas geben, womit er Rosenboom in der Hand hat«, sagte er.
»Wir müssen unbedingt etwas über die Scheidung Weinsteins erfahren«, sagte sie. »Bestimmt wollte sie sich scheiden lassen, und er war dagegen.«
»Ich denke, er hat zu ihrer neuen Ehe gratuliert«, wandte er ein.
»Nur zum Schein natürlich.«
»Wenn ihn die neue Ehe seiner Frau so getroffen hat, hätte er sich dieses Theater sparen können. Es passt nicht.«
Sie schwieg eine Weile.
»Könnt ihr es trotzdem versuchen?«
»Was?«
»Etwas über die Scheidung Weinsteins herauszufinden. Herr Weinstein wird sich bei der Scheidung sicher den Anwalt genommen haben, den er jetzt noch hat.«
»Der wird mir kaum was erzählen, selbst wenn er es könnte.«
Sie blieb hartnäckig.
»Herausfinden ist nicht plumpes Fragen. Unter Kollegen müsst ihr unter der Hand doch etwas rauskriegen können.«
Er stolperte über das wiederholte Ihr . Ungelenk bot er ihr das Du an, fand es längst überfällig und tat, als fände er gerade jetzt die Zeit dazu. Sie gaben sich die Hand.
Die Situation war albern.
Marie kicherte.
»Wann machen wir weiter?«, fragte sie und ließ die Fotokopien in ihre Tasche gleiten.
»Bald. Wir telefonieren.«
Er mied die konkrete Verabredung. Er hatte begonnen, ihre Gegenwart zu genießen. Er wollte ihr Bild in sich tragen und entspannt betrachten können. Solange sie sich nicht sahen, war das Bild vor der Veränderung geschützt, denn jedes Zusammensein barg die Gefahr eines unglücklichen Endes. Dennoch wollte er sie bald wieder sehen.
Als Marie das Büro verlassen hatte, spähte Frau Klabunde neugierig hinein.
»Nichts, was der Rede wert wäre«, nahm er vorweg.
»Eine nette junge Frau«, meinte sie. »Sie hat sich bestimmt extra für den Besuch beim Anwalt fein gemacht, denn man sieht, dass sie sich sonst nicht so kleidet. Und die Strümpfe hatten Laufmaschen.«
Ihm war nichts Besonderes an ihrer Kleidung
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