Karrieresprung
Prozessausgang um Anerkennung seines Bemühens warb.
»Also gut. Schicken Sie ihn in einer Viertelstunde los. Er soll zur Überwasserstraße kommen. Wenn er den Anker verlässt, muss er sich nur rechts halten und bis zur Kreuzung laufen, dann links. Ich werde hinter der Baustelle auf ihn im Auto warten. – Sie werden gesehen haben, dass die Straße gesperrt ist. Ich müsste sonst um das ganze Viertel fahren, wenn ich ihn an der Wirtschaft abholen wollte. Ein kleiner Spaziergang tut ihm gut. Er kann dann mit kühlem Kopf über seine Forderung nachdenken. – Sie fahren nach Hause. Alles Weitere besprechen wir morgen.«
Als sie sich vor der Wirtschaft trennten und er Weinstein auf den Weg schickte, war das Unbehagen, das sich bei dem kurzen Telefonat mit Rosenboom eingestellt hatte, nicht verflogen. Knobel hatte die verbleibende Viertelstunde mit Belanglosigkeiten gefüllt, um zu verhindern, dass man weiter über die Sache sprach. Knobels anwaltliche Tätigkeit war in dieser Sache beendet. Sie war ihm unmöglich geworden. Die Parteivertretung war einfach, solange er nur die Interessen seines Klienten im Blick haben musste und sich ausschließlich mit dessen Informationen versorgen konnte, um ihn anschließend unnachgiebig gegen alle Schriftsätze und Attacken der Gegenseite zu verteidigen. Der sture Blick aus der Sicht der eigenen Partei solidarisierte mit der eigenen Klientel und motivierte zu scharfzüngigen Schriftsätzen und lärmenden Plädoyers.
Die wenigen Fakten des Falles kannte Knobel indes nur von Weinstein. Offensichtlich hatte er es hier mit dem verrücktesten aller denkbaren Fälle zu tun: Einen Mandanten, der schwieg, und einen Gegner, der die Informationen lieferte.
39
Als der kurze Schrei durch die Nacht hallte und sogleich durch quietschende Reifen erstickt wurde, war Knobel gerade im Begriff, in sein Auto zu steigen. Der Schrei bohrte sich in ihn hinein, es war ein unwirkliches ersticktes Kreischen, das sein Herz hämmern und die verdrängte Ahnung in seinem Gehirn aufflammen ließ. Er drehte sich um und lief dem erstickten Schrei entgegen, über die leere Straße am Anker vorbei bis zur Kreuzung. Er hechelte, das Laufen schlug hart in seine Glieder. Knobel sah sich nach allen Seiten um, doch offensichtlich stand er allein auf der kleinen Straßenkreuzung. Und dann sah er Weinstein niedergestreckt auf dem Pflaster. Die Augen waren weit aufgerissen. Das starre Weiß der Augen glänzte matt im Licht einer Straßenlampe. Blut sickerte in Rinnsalen aus seiner Nase. Erschreckt und angewidert studierte Knobel den Tod. Ungläubig umrundete er gegen den Uhrzeigersinn Weinsteins Leiche, als könne er den Tod damit außerhalb seiner Bannmeile zurückzwingen und alles ungeschehen machen. Knobel prüfte, ob noch geholfen werden konnte und war eigentümlich befriedigt, dass nicht mehr zu helfen und nur zu unterlassen war. Er blickte auf und sah in einiger Entfernung die blinkenden Warnleuchten der Baustelle, die die Straße zu einem im Rotlicht puckernden Geisterbahnabschnitt machten.
Dann rannte er weg, zurück zu seinem Auto.
40
In Rosenbooms Lagerhallenbüro in der Drehbrückenstraße war noch Licht.
Knobel ahnte, dass sein Mandant ihn dort erwarten würde.
»Ihr Auto ist unbeschädigt«, sagte Knobel tonlos und deutete mit einer Kopfbewegung zum Hof.
Rosenboom nickte bleich.
»Es war ein anderes Auto.«
Das Geständnis bedeutete Abschied von der vagen Hoffnung, dass Rosenboom sich spontan zur Tat hatte hinreißen lassen. Alles passte. Die Nähe zu Rosenbooms Lagerhallen und die abgesperrte Straße boten ebenso günstige Umstände wie die Uhrzeit und die Tatsache, dass man von Handy zu Handy gesprochen hatte, deshalb würde es keinen nachweisbaren Anruf aus dem Anker zu Rosenboom geben.
Knobel nahm an, dass das Tatauto in der verschlossenen Halle stand. Rosenbooms Auto stand sauber glänzend unten auf dem Parkplatz. Es würde jeder kriminaltechnischen Untersuchung standhalten können.
Knobels Rolle als Verteidiger schälte sich heraus. Er würde gegen den Mord und für den Totschlag plädieren müssen. Strategien gegen das zwingende Lebenslänglich. Die Tötung Weinsteins als nachvollziehbarer Akt. Weinsteins Erpressung als vorwerfbarer Akt, der Rosenboom zum Äußersten zwang.
»Sie haben selbst gesagt, dass er noch mehr Geld wollte«, sagte Rosenboom weinerlich.
»Ein letztes Mal, ja«, zischte Knobel.
Er zitterte. Hatte er Rosenboom angestiftet, ohne es zu ahnen?
Knobel fürchtete seine
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