Karrieresprung
Angaben der Zeugen im Anker ein Phantombild von Ihnen fertigen wird. Dann bleibt nur die Hoffnung, dass die Zeichnung undeutlich ist und Sie keiner erkennt, der Sie mit Weinstein in Verbindung bringen könnte wie beispielsweise Weinsteins Anwalt. Überflüssig zu sagen, wie dumm es war, mit einem grauen Anzug bekleidet in dieser Spelunke zu erscheinen. Auffälliger geht’s kaum.«
Knobel schluckte.
»Natürlich wird man bei den Nachforschungen auf den Namen Rosenboom stoßen«, fuhr Hübenthal fort. »Man wird die Prozessakten einsehen. Vielleicht wird man über die Prozesse stutzig werden, aber es sind immerhin noch nicht zu viele gewesen. Rosenboom wird bekunden können, dass er sich den Klagen Weinsteins aus freien Stücken gebeugt hat. Es ist nachweisbar, dass das Haus Brunnenstraße 8 feucht ist und Rosenboom deshalb zu Recht gezahlt hat. Der Umstand, dass Rosenboom das Haus zuvor an Weinstein verkauft hat, ist ebenfalls darstellbar. Rosenboom hat eben an den geschiedenen Mann seiner Frau verkauft. Dass im Ergebnis kein Geld geflossen ist, kann nicht bewiesen werden. Weinstein wurde die Kaufpreissumme zuvor von Rosenbooms Ehefrau überwiesen, deklariert als eine Art Abfindung aus der Ehe. Und nach der Zahlung des Kaufpreises für das Haus an Rosenboom hat der das Geld wieder an Weinstein zurückgegeben. Über den Notar ist also alles korrekt abgewickelt worden.
Die Zahlungsklage aus dem Darlehen hat Rosenboom verloren, weil das Gericht der behaupteten Schenkung nicht geglaubt hat. Weitere Sachaufklärung kann man nach dem Tod Weinsteins ohnehin nicht mehr leisten.
Und die zuletzt von Weinstein verlangte Klage gegen seine Zwangsvollstreckung aus dem Zahlungsurteil wegen des Darlehens, auf die die Polizei durch Weinsteins Anwalt stoßen könnte, wird sich als Rohrkrepierer erweisen. Denn Rosenboom hatte tatsächlich bezahlt und kann dies auch nachweisen. Rosenboom hätte von Weinstein in einem ordentlich geführten Zivilprozess nichts zu befürchten gehabt. Er hätte seine Klage gegen die von Weinstein ausgebrachte Pfändung gewonnen.
Der Umstand, dass Weinstein der frühere Ehemann von Rosenbooms Frau war, wird zum Nachdenken anregen, aber letztlich nicht weiterführen. Weinstein hätte vielleicht einen Grund gehabt, Rosenboom zu töten, aber nicht umgekehrt. Und Weinsteins Anwalt wusste über die Hintergründe nichts.«
»Weinstein wird zu Hause die Unterlagen haben, die Rosenboom belasten«, wandte Knobel ein.
»Zu Hause hat der nichts.«
Hübenthals feste Stimme machte jede Nachfrage entbehrlich, und Knobel unterließ sie dankbar. Hübenthals Gesicht hatte inzwischen wieder Farbe bekommen.
»Reitinger ist einer fixen Idee aufgesessen«, erklärte Hübenthal. »So nett er als Mensch auch war. Wir haben ihn nicht zuletzt deswegen zum Sozius gemacht. Seine Umsätze rechtfertigten diesen Schritt sicher nicht. Aber das war letztlich nicht das entscheidende Kriterium. Wenn er sich also einkaufen wollte: Warum nicht? Wir haben auch Frau Meyer-Söhnkes zur Sozia gemacht, weil die Sozietät das unbedingte Ziel ihrer Karriere war. Also hat sie sich mit der Erbschaft ihrer Eltern eingekauft. – Ich will nur klarmachen, dass es keinen Zwang gab, Reitinger als Sozius aufzunehmen. Leider hat sich nach seiner Soziierung alles anders entwickelt. Er hat sich in seine Frustrationen verstiegen.«
Hübenthals abwehrende Handbewegung bekräftigte, dass seine Ausführungen jeder plausiblen Grundlage entbehrten und geradezu nach Fragen schrieen.
Knobel fielen die Fragen ein. Es war selten, dass er vor Gericht mit den richtigen Fragen verblüffte, einen Prozess mit der richtigen Frage wenden konnte. Zumeist fielen ihm die Fragen später ein, auf dem Weg zurück in die Kanzlei oder noch später, wenn das Urteil bereits schriftlich vorlag und die Entscheidungsgründe des Urteils mehr oder weniger verklausuliert offenbarten, was er versäumt hatte, um die Niederlage abzuwenden. Aber im Gespräch mit Dr. Hübenthal fielen ihm die richtigen Fragen ein. Er kannte den Fall zu genau, hatte ihn oft durchdacht und letzte Nacht in jedem Detail durchlitten. Doch Knobel stellte die schreienden Fragen nicht. Knobel hätte Dr. Hübenthal jetzt alles fragen und er hätte auf jede Frage eine Antwort erhalten können, aber die Beantwortung jeder Frage bedeutete, wissender zu werden und Gefahr zu laufen, in ein bedrohliches Gespinst dunkler Machenschaften verstrickt zu werden. Jede Antwort machte schuldiger und verleitete dazu, sie
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