Karrieresprung
grinste.
»Das Bordell war eine Erfindung, mit der ich Sie neulich abspeisen wollte. Sie haben ja selbst erkannt, dass ein Bordell zu einem Edelmann wie Rosenboom überhaupt nicht passt. – Ich wollte Ihnen nur nicht gleich alles sagen«, fügte er entschuldigend hinzu.
»Ich nehme an, im Keller der Brunnenstraße hingen die Beweise für Ihre Behauptung an der Wand.«
»Ein Computerausdruck, der die Zahlungen von der Rosenboom GmbH an die Kanzlei und von dort an die Privatperson Rosenboom belegte. Reitinger hatte lange geforscht, bis er dem Computer die Geheimnisse entlocken konnte. Fast ein Vermächtnis.«
»Warum hat er sein Wissen dann nicht selbst gegen Hübenthal genutzt?«
Weinstein lachte.
»Ob Sie es glauben oder nicht. Er wollte sich mit diesem Gedanken nicht recht anfreunden. Vielleicht hätte er sein Wissen irgendwann gegen Hübenthal eingesetzt, aber krumme Touren waren nicht sein Ding. Da hätte noch eine Menge mehr auf ihn einstürzen müssen, bis er auf diese Art explodiert wäre. Reitinger litt unter seiner Stellung in der Kanzlei, aber er wollte nach wie vor aus eigener Kraft aus der Stagnation heraus.«
»Er hat seine Fallstatistiken gefälscht«, warf Knobel ein.
»Eben«, bestätigte Weinstein. »Er wollte durch redliche Arbeit weiterkommen, auch wenn er sie an dieser Stelle nur vortäuschte. Aber er täuschte nicht höhere Umsätze vor, sondern nur mehr Arbeit. Seine Lügen schadeten niemandem. An seiner Redlichkeit ist er schließlich krepiert.«
»Also haben Sie den Part, den Reitinger hätte spielen können, mit übernommen. Sie erpressen folglich Rosenboom und die Kanzlei.«
»Wenn Sie so wollen: ja. Und Reitinger wusste nicht einmal davon, dass ich Rosenboom und damit Hübenthal in die Zange genommen habe. Er hatte den Computerausdruck eines Abends mit zu mir nach Hause gebracht, nachdem er mir zuvor von seiner ungeheuerlichen Entdeckung erzählt hatte. Ich hatte ihm erwidert, dass ich ihm keine Silbe glaube und ihn für verrückt erklärt, doch er beteuerte, dass er die Wahrheit sage. So ging das hin und her. Er konnte es ja nicht ertragen, wenn ihn jemand für einen Lügner hielt. Man musste ihn nur lange genug auf diese Weise kränken, um seine Redlichkeitsneurose rauszukehren. Also brachte er zum Beweis seiner Wahrhaftigkeit den Ausdruck mit. Als er auf der Toilette war, habe ich ihn auf meinem Faxgerät kopiert.«
Weinstein bestellte Bier nach. Er genoss Knobels Erstaunen darüber, dass die komplexe Erpressungsgeschichte auf der Fotokopie eines Computerausducks beruhte.
Knobel begriff, dass Weinstein mit seinem von Dr. Reitinger erworbenen Wissen bei Rosenboom einen empfindlichen Nerv getroffen hatte. Und er verstand, dass er zugleich den Kanzleisenior getroffen hatte. Der Fall Weinstein war nicht nur der Fall Rosenboom, sondern zugleich der Fall Dr. Hübenthal.
»Ich denke, Rosenboom wird sich Ihr Schweigen noch einen erklecklichen Betrag kosten lassen, wenn die Sache damit abgeschlossen ist. Natürlich keine astronomische Summe. Es ist Verhandlungssache.«
»So oder so ein fauler Kompromiss«, befand Weinstein.
»Kein Kompromiss. Es ist der einzige Weg für beide Seiten.«
Es galt jetzt, allein über das Geld Weinsteins Durst zu stillen und Rosenboom dabei nicht verbluten zu lassen.
»Eine einmalig zu zahlende Summe, und dann ist Frieden!«
»Frieden?«
Weinstein lachte höhnisch, aber Knobel merkte, dass Weinstein des Kämpfens müde geworden war. Er hatte es schon gemerkt, als Weinstein bereitwillig sein ganzes Wissen preisgab. Obwohl er bislang die Spielregeln diktiert hatte, war Weinstein plötzlich zum Gejagten geworden.
Knobel stand auf, verließ den Schankraum, tastete sich durch den dunklen Flur an muffigen Abstellkammern vorbei und rief seinen Mandanten von seinem Handy aus an.
Rosenbooms Stimme klang gehetzt.
»Es ist viertel vor elf. Was haben Sie so lange beredet?«
»Ich bin ein gutes Stück weitergekommen«, erwiderte Knobel stolz.
Er behielt die Tür zum Gastraum im Auge.
»Weinstein will bloß noch Geld. Keine Prozesse mehr. Ich denke, er ist mit einer abschließenden Summe zufrieden.«
Einen Augenblick herrschte Stille.
»Wie viel?«
»Sie müssen es aushandeln«, erwiderte Knobel.
»Also gibt er keine Ruhe.«
Rosenboom schnaufte, als habe er dieses Ergebnis erwartet.
»Es ist ein Erfolg«, verteidigte sich Knobel.
»Ich habe Sie nach Kräften vertreten. Mehr war nicht drin.«
Es waren die üblichen Worte, wenn er bei enttäuschendem
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