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Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Titel: Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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erhalten. Nein, sagte er sich, sie hatten sich in dieser
Angelegenheit keine ernsten Vorwürfe zu machen. Ehe er Jasselin in seinem Haus
in der Bretagne anrief, musterte er noch eine Weile die Gesichtszüge der beiden
Mörder. Le Braouzec hatte das Aussehen eines einfachen skrupellosen Rohlings,
wenn auch ohne sichtbare Zeichen von Grausamkeit. Er war ein gewöhnlicher
Verbrecher, wie er ihnen jeden Tag begegnete. Petissaud wirkte erstaunlicher:
Er war recht gutaussehend, gebräunt – vermutlich das ganze Jahr über – und
lächelte mit ungehemmter Selbstsicherheit in die Kamera. Er hatte im Grunde
ganz das Aussehen, das man mit einem Schönheitschirurgen aus Cannes verbindet,
der in der Avenue de la Californie wohnt. Bardèche hatte recht: Er war ein
Mann, wie er ab und zu der Sittenpolizei in die Netze geht, aber nie der
Kriminalpolizei. Die Menschheit ist manchmal seltsam, sagte er sich, während er
die Nummer wählte, aber leider meistens in der Kategorie seltsam und widerwärtig , nur
ganz selten in der Kategorie seltsam und
bewundernswert . Dennoch war er besänftigt
und innerlich beruhigt, und er wusste, dass Jasselin es noch stärker sein würde
als er und dass es ihm erst jetzt wirklich gelingen würde, seinen Ruhestand zu genießen .
Auch wenn es auf indirekte und unnormale Weise geschehen war, hatte den
Schuldigen nun seine gerechte Strafe ereilt. Das Gleichgewicht war wieder
hergestellt. Die Wunde konnte sich schließen.

 
    H OUELLEBECQS TESTAMENTARISCHE Verfügungen waren unzweideutig: Falls er vor Jed
Martin sterben würde, sollte das Gemälde an diesen zurückfallen. Ferber hatte
keine Mühe, Jed telefonisch zu erreichen: Er war zu Hause; nein, er störe ihn nicht.
In Wirklichkeit störte er doch ein wenig, er sah sich gerade auf Disney Channel
die Serie DuckTales an, aber das sagte er ihm nicht.
    Das Gemälde, das schon in zwei
Mordfällen eine Rolle
gespielt hatte, wurde Jed ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen in einem
gewöhnlichen Mannschaftswagen der Polizei gebracht. Er stellte es mitten im
Raum auf seine Staffelei, ehe er sich wieder seiner üblichen Beschäftigung
zuwandte, die momentan ziemlich geruhsam war: Er reinigte seine Vorsatzlinsen
und räumte ein wenig auf. Sein Gehirn arbeitete ziemlich langsam, und erst nach
ein paar Tagen wurde ihm bewusst, dass ihn das Bild störte , dass er sich in seiner Anwesenheit unwohl fühlte. Es
war nicht nur der Hauch von Blut, in dem es zu schweben schien, ähnlich wie
manche berühmte Juwelen und viele andere Gegenstände, die menschliche
Leidenschaften entfesselt haben; es war vor allem Houellebecqs Blick, dessen ungemein
starke Ausdruckskraft ihm unpassend und unnormal erschien – nun da der
Schriftsteller tot war und Jed gesehen hatte, wie mitten auf dem Friedhof
Montparnasse die Erde Schaufel für Schaufel auf seinen Sarg gefallen war. Auch
wenn er das Bild nicht mehr ertragen konnte, war es doch unbestreitbar ein
äußerst gelungenes Gemälde; der lebendige Eindruck, den der Schriftsteller
vermittelte, war geradezu verblüffend, und falsche Bescheidenheit an den Tag zu
legen, wäre sicherlich unangebracht gewesen. Dass das Bild inzwischen einen
Wert von zwölf Millionen Euro besaß, das war natürlich eine ganz andere Sache,
zu der er bisher jeden Kommentar verweigert hatte, bis auf einmal, als er einem
besonders aufdringlichen Journalisten gesagt hatte: »Man sollte keinen Sinn in
Dingen suchen, die keinen haben«, womit er sich, ohne sich dessen wirklich
bewusst zu sein, die Schlussfolgerung von Wittgensteins Tractatus zu eigen machte:
»Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.«
    Er rief Franz noch am gleichen
Abend an, um ihm von den Ereignissen zu berichten und ihm seine Absicht
mitzuteilen, das Bild Michel Houellebecq, Schriftsteller zu verkaufen.
    Als er im Bistro Chez Claude in der Rue du
Château-des-Rentiers ankam, hatte er das deutliche, unleugbare Gefühl, dieses
Lokal zum letzten Mal zu betreten; er wusste auch, dass es seine letzte
Begegnung mit Franz sein würde. Der Galerist saß zusammengesunken an seinem
Stammplatz vor einem Glas Rotwein. Er war mit einem Schlag gealtert, als habe
er große Sorgen. Er hatte natürlich viel Geld verdient, aber vielleicht sagte
er sich, dass er zehnmal mehr hätte verdienen können, wenn er ein paar Jahre
gewartet hätte, und vermutlich hatte
er das Geld angelegt , eine Quelle unausbleiblicher Ärgernisse. Überhaupt schien er seinen neuen
Status als reicher Mann nur schwer

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