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Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Titel: Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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den uralten Fluch, der auf der Arbeit lastet,
gewissermaßen geheiligt. Geneviève verdiente damals zwischen fünf- und zehntausend
Euro im Monat, ohne dieser Tätigkeit mehr als ein paar Stunden pro Woche zu
widmen. Sie ließ ihn davon profitieren und schärfte ihm ein, er solle deswegen
»bloß keinen Aufstand machen«, und so hatten sie auf ihre Kosten in mehreren
Wintern Urlaub auf der Insel Mauritius oder auf den Malediven gemacht, ohne
dass er einen Cent dazu beisteuerte. Sie war derart natürlich, derart fröhlich,
dass er nie die geringste Hemmung empfand, zu keinem Augenblick hatte er sich
auch nur andeutungsweise in der Haut eines Zuhälters gefühlt.
    Wirklich traurig war er hingegen
gewesen, als sie ihm ankündigte, mit einem ihrer regelmäßigen Kunden
zusammenziehen zu wollen – einem fünfunddreißigjährigen Wirtschaftsanwalt, dessen
Leben nach dem, was sie Jed erzählte, haargenau dem Leben der Wirtschaftsanwälte
glich, wie es in den – zumeist amerikanischen – Thrillern über
Wirtschaftsanwälte beschrieben wird. Er wusste, dass sie Wort halten und ihrem
zukünftigen Mann treu bleiben würde, und als er zum letzten Mal die Tür ihrer
Wohnung hinter sich schloss, wusste er im Grunde auch, dass er sie vermutlich
nie wiedersehen würde. Fünfzehn Jahre waren seither vergangen; ihr Gatte war
wahrscheinlich ein höchst zufriedener Ehemann und sie eine glückliche Mutter,
ihre Kinder waren – dessen war er sich sicher, ohne sie zu kennen – höflich und
wohlerzogen und bekamen ausgezeichnete Schulzeugnisse. Waren die Einkünfte
ihres Mannes, des Wirtschaftsanwalts, inzwischen höher als Jeds Einkünfte als Künstler?
Diese Frage war schwer zu beantworten, aber vielleicht die einzige, die es
verdiente, gestellt zu werden. »Du hast wirklich eine Berufung zum Künstler, du
strebst das mit aller Kraft an«, hatte sie bei ihrer letzten Begegnung zu ihm
gesagt. »Du bist eher klein, niedlich und zierlich, aber du hast den Willen, es
zu etwas zu bringen, du bist sehr ehrgeizig, das habe ich deinem Blick sofort
angesehen. Ich dagegen mache das …« – (sie deutete mit einer vagen
kreisförmigen Handbewegung auf ihre Kohlezeichnungen, die an der Wand hingen) –
»… ich mache das nur zum Spaß.«
    Jed hatte ein paar von Genevièves
Zeichnungen behalten, und er war immer noch der Ansicht, dass sie künstlerisch
von echtem Wert waren. So müsste Kunst eigentlich sein, sagte er sich manchmal,
eine unschuldige, fröhliche, fast animalische Beschäftigung, es hatte solche
Meinungen gegeben, »dumm wie ein richtiger Maler«, »er malt so, wie ein Vogel
singt« und so weiter, vielleicht würde die Kunst so werden, sobald der Mensch
das Problem des Todes überwunden hatte, und vielleicht hatte es sogar schon
solche Perioden gegeben, man denke beispielsweise an Fra Angelico, der dem
Paradies so nah stand und von dem Gedanken erfüllt war, dass sein irdisches
Dasein nur eine zeitlich begrenzte, konfuse Vorbereitung auf das ewige Leben in
Gesellschaft seines Herrn Jesu war. Und siehe, ich
bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende .
    Am Tag nach der Beerdigung erhielt Jed
Besuch vom Notar. Er hatte mit seinem Vater nicht darüber gesprochen, ihm wurde
bewusst, dass sie das Thema nicht einmal angeschnitten hatten – dabei war es
der eigentliche Anlass seines Aufenthalts –, aber es erschien ihm als
selbstverständlich, dass ein Verkauf des Hauses nicht in Frage kam, und er
hatte nicht einmal das Bedürfnis, seinen Vater anzurufen, um mit ihm darüber zu
sprechen. Er fühlte sich wohl in diesem Haus, hatte sich sofort darin
wohlgefühlt, es war eine Bleibe, in der es sich gut aushalten ließ. Er mochte
die schräge Mischung aus Alt und Neu: Die Wände im renovierten Teil waren mit
einer weißen Isolierschicht verputzt, der alte Teil besaß noch ungleichmäßig
verfugte Steinwände. Er mochte die schief in den Angeln hängende, schlecht
schließende Tür, die zur Straße nach Guéret hinausführte, und den riesigen
Küchenherd, der sich mit Holz, mit Kohle und vermutlich mit jeder anderen Art
von Brennmaterial befeuern ließ. Wenn er sich in diesem Haus aufhielt, war er
geneigt, an Dinge wie die Liebe zu glauben, die gegenseitige Liebe eines
Ehepaars, die die Wände mit einer gewissen Wärme bestrahlt, einer sanften
Wärme, die sich auf die späteren Bewohner überträgt, um ihnen Seelenfrieden zu
bringen. Was das anging, hätte er auch an Gespenster oder wer weiß was glauben
können.
    Wie auch immer, der

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