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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Generationen bis heute erhalten hat.«
    »Die besagt …?«, frage ich.
    »Es heißt, inmitten der Winterwelt gebe es einen Ort von ungeheurer Zauberkraft, einen Baum, der eine gewaltige Magie in sich birgt, ganz ähnlich der des Tempels.«
    »Aber wenn das stimmt«, überlege ich laut, »warum haben die dunklen Geister der Winterwelt sie dann nicht genützt, um die Herrschaft über das Magische Reich an sich zu reißen?«
    »Vielleicht können sie die Magie nicht aus dem Baum herausholen.« Die Medusa wendet mir ihre gelben Augen zu. »Oder vielleicht gibt es ihn überhaupt nicht. Denn niemand, den ich kenne, hat ihn gesehen.«
    »Aber was ist, wenn es ihn doch gibt? Sollten wir nicht einen Abstecher in die Winterwelt wagen, um es herauszufinden?«
    »Nein«, zischt die Medusa, »es ist verboten.«
    »Es war verboten! Aber ich habe jetzt die ganze Magie in mir.«
    »Das ist es ja, was mir Sorgen bereitet.«
    Wir haben das Niemandsland erreicht. Es hat leicht zu schneien begonnen. Fackeln erhellen die Ufer. Sie werfen einen unheimlichen Schein auf die Landschaft.
    »Du musst die Winterwelt vergessen. Von dort kommt nichts Gutes.«
    »Wie willst du das wissen? Du hast sie nie gesehen«, sage ich bitter. »Niemand hat das.«
    »Niemand, dem man vertrauen kann«, antwortet die Medusa und ich denke sogleich an Circe.
    »Gemma!«, ruft Felicity vom Ufer. Sie hat ihr Kettenhemd an, Pippa trägt ihr schönes Cape und beide glänzen wie Juwelen.
    Die Medusa senkt ihre Planke. »Gebieterin, je früher du das Bündnis schließen und die Magie teilen kannst, desto besser.«
    Sie starrt auf den Himmel über der Winterwelt.
    »Wonach schaust du aus?«, frage ich.
    Die Schlangen bewegen sich unruhig. Das ausdruckslose Gesicht der Medusa verdüstert sich. »Nach Ärger.«
    *
    »Hurra! Unsere Gemma ist wieder da«, ruft Pippa und zieht mich mit sich zum Wald, wo die Mädchen Krocket spielen. Sie wechseln sich mit ihren Schlaghölzern ab. Ann rekelt sich auf einer Decke aus Silberfäden. Sie zupft sie wie die Saiten einer Harfe und eine liebliche Musik schallt uns entgegen. Wendy sitzt neben ihr und streichelt Mr Darcys seidiges Fell.
    »Wie war’s bei dem grässlichen Waldvolk?«, fragt Felicity, während sie sich zu einem Schlag bereit macht.
    »Ungemütlich. Sie sind wütend. Ungeduldig. Sie glauben, dass ich sie verrate«, sage ich, indem ich mich zu Wendy und Ann setze.
    »Na ja, sie werden eben warten müssen, bis wir so weit sind, oder nicht?« Felicity schlägt ihren Ball sauber durch die Tore.
    »Bessie, als du mit den drei Mädchen in Weiß auf dem Weg in die Winterwelt warst, haben sie den Baum Aller Seelen erwähnt?«, frage ich.
    Bessie schüttelt den Kopf. »Sie waren nicht sehr gesprächig.«
    »Und ihr habt noch immer keine Wesen aus der Winterwelt gesehen?«, frage ich sie alle.
    »Kein einziges«, sagt Pippa.
    Ich möchte das als Trost auffassen, aber eine kleine innere Stimme erinnert mich daran, dass Pippa und die Mädchen immer noch hier sind und dass unter der glanzvollen Kleidung, die sie tragen, ihre Wangen bleich und ihre Zähne spitz sind.
    Trotzdem sind sie nicht wie jene entsetzlichen Todesschergen, diese furchtbaren Gespenster, die Seelen stehlen. Aber was sind sie? Sie muss nicht fallen. Das war es, was die Medusa gesagt hat. Gibt es eine Möglichkeit, dem zu entgehen? Wenn ich die Magie Miss McChennmine und dem Orden gebe, müsste ich mir keine weiteren Sorgen darüber machen; sie müssten darüber entscheiden, nicht ich. Und sie würden Pippa in die Winterwelt verbannen, ganz bestimmt. Nein, ich selbst muss die Entscheidung treffen. Ich muss die Sache zu Ende führen.
    »Worüber brütest du jetzt wieder, Gemma?«, fragt Felicity.
    Ich schüttle die Schwere der Nacht aus meinem Kopf. »Nichts. Komm, lass mich mal versuchen.«
    Ich nehme das Schlagholz und schlage den Ball, und der Ball rollt weit in den Nebel der Winterwelt.
    *
    Nachdem wir uns verabschiedet haben, wandern wir nun den bekannten Weg zurück zu dem geheimen Tor und betreten den langen, schlecht erleuchteten Gang. Doch ich habe ein merkwürdiges Gefühl, so als sei noch jemand mit uns hier drinnen.
    »Hört ihr etwas?«, flüstere ich.
    »Nein«, sagt Felicity.
    Es ist ein leises Rascheln, wie von Blättern. Oder Flügeln. Wir sind noch nicht weiter als ein paar Schritte gegangen, als ich es wieder höre. Ich drehe mich rasch um und erhasche ein kurzes Flimmern wie von einem Leuchtkäfer. Gerade lang genug, um Flügel, einen Zahn

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