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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Hexen ist nicht zu trauen! Bald werden wir nicht mehr in eurem Schatten leben!«
    *
    Die Medusa nimmt Kurs zurück zum Garten. Ich hocke neben ihrem Hals und lausche dem sanften Rhythmus der Wellen, die gegen die mächtigen Breitseiten des Schiffes schlagen. Die Medusa hat nichts gesagt, seit wir den Wald verlassen haben.
    »Medusa, wovon hat Creostus vorhin gesprochen?«
    »Vergiss es. Creostus kannte mich, als wir Krieg geführt haben.«
    »Aber warum ziehst du es vor, hier in diesem Gefängnis zu bleiben?«
    Die Stimme der Medusa verdunkelt sich. »Ich habe meine Gründe.«
    Ich kenne diesen Ton. Er bedeutet, dass das Gespräch beendet ist. Doch ich bin nicht gewillt, es auf sich beruhen zu lassen. Ich möchte mehr wissen. »Aber du könntest frei sein …«
    »Nein«, sagt sie bitter. »Ich werde nie wirklich frei sein. Ich verdiene es nicht.«
    »Natürlich verdienst du es!«
    Die Schlangen auf ihrem Haupt schmiegen sich an ihr Gesicht, sodass ihre Augen fast nicht zu sehen sind. »Ich habe viele Seiten, nicht alle sind edel.«
    Eine der Schlangen gleitet näher. Ihre dünne rosa Zunge züngelt gegen meine Haut. Instinktiv ziehe ich meine Hand zurück, aber dieser gefährliche Kuss ist beharrlich.
    »Wir sollten uns nicht über die Vergangenheit, sondern über die Zukunft des Magischen Reichs unterhalten.«
    Ich seufze. »Die Völker können sich nicht einmal untereinander einigen. Wie wollen sie ein Bündnis schließen, wenn sie ständig streiten?«
    »Es stimmt, dass sie sich immer gestritten haben. Aber trotzdem können sie für eine gemeinsame Sache kämpfen. Uneinigkeit muss kein Hindernis sein. Verschiedenheit kann die Kräfte stärken.«
    »Ich sehe nicht, wie. Ich bekomme Kopfschmerzen von ihrem Gezänk.« Ich strecke meine Arme und fühle die Gischt des Flusses auf meinem Gesicht, kühl und angenehm. »Ach, warum kann es nicht immer so friedlich sein wie jetzt?«
    Die Medusa wirft mir von der Seite einen Blick zu. Ein gespannter Zug tritt um ihren Mund. »Frieden passiert nicht einfach so von selbst. Er ist ein lebendiges Feuer, das ständig genährt werden muss. Es muss bewacht und gehütet werden, sonst erlischt es.«
    »Warum hat sich diese Zauberkraft ausgerechnet mich ausgesucht, Medusa? Ich komme kaum mit mir selbst klar. Manchmal habe ich das Gefühl, ich könnte vor Glück durch die Flure tanzen, und genauso plötzlich sind meine Gedanken finster, trostlos und erschreckend.«
    »Die Frage ist nicht, warum, Gebieterin. Die Frage ist, wozu. Wozu wirst du diese Zauberkraft verwenden?«
    Wir haben eine enge, von bemoosten Felsen gesäumte Stelle des Flusses erreicht. Das Wasser schillert in allen Farben. Ein Schwarm Quellnymphen taucht aus der Strömung auf. Es sind fremdartige Wesen, halb Nixen, mit kahlen Köpfen, Schwimmhäuten zwischen den Fingern und mit Augen von der Tiefe des Ozeans. Ihr Gesang ist so betörend, dass jedes sterbliche Wesen in seinen Bann gerät, und sobald sie dich in ihrer Gewalt haben, ziehen sie dir die Haut ab.
    Wir hatten eine Begegnung mit diesen lieblichen Wesen und sind nur um Haaresbreite mit heiler Haut davongekommen; ich werde mich nicht noch einmal in diese Gefahr begeben.
    »Medusa«, warne ich und bewege mich zu den Netzen, die von der Reling hängen.
    »Ja, ich sehe sie«, sagt die Medusa.
    Aber die Nymphen kommen nicht in unsere Nähe. Stattdessen tauchen sie wieder unter und ich sehe den Bogen ihrer silbrigen Rücken, während sie fortschwimmen.
    »Das ist merkwürdig«, sage ich, ihnen nachblickend.
    »In Zeiten wie diesen ist alles seltsam, Gebieterin«, antwortet die Medusa, rätselhaft wie stets.
    Ich lasse mich wieder neben dem Haupt der Medusa nieder. Wir nähern uns dem Niemandsland. Die Luft ist hier dunstiger und der Himmel in der Ferne bleigrau.
    »Medusa, was weißt du über die Winterwelt?«
    »Sehr wenig und das Wenige ist schon zu viel.«
    »Weißt du etwas von einem Baum Aller Seelen?«
    Die Medusa zuckt zusammen; die Schlangen auf ihrem Haupt zischen bei der plötzlichen Bewegung.
    »Wo hast du diesen Namen gehört?«, fragt die Medusa.
    »Du kennst ihn! Ich will es wissen. Sag’s mir!«, befehle ich, aber die Medusa ist stumm wie ein Stein. »Medusa, du warst einmal gezwungen, dem Orden die Wahrheit zu sagen!«
    Die Medusa knurrt zwischen zusammengepressten Lippen. »Gerade noch hast du mich an meine Freiheit erinnert.«
    »Bitte!«
    Sie holt tief Luft und stößt sie langsam wieder aus. »Es ist nur eine Legende, die sich über die

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