Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
Vom Netzwerk:
über ihre Kehle. Miss McChennmine pflückt einen Strauß Wiesenblumen und fordert mich auf, ihr weiter zum Friedhof zu folgen. Es ist ein steiler Anstieg bis zur Kuppe des Hügels hinauf. Der Wind bläst heftig hier oben. Er fährt in Miss Chennmines Haar und löst ein paar Strähnen, die wild um ihr Gesicht fliegen und ihm etwas von seiner Strenge nehmen. Ich kann die Mädchen in einer munteren Reihe durch die Bäume hüpfen sehen, mit Ann als Nachhut. Dahinter erhebt sich Spence aus der Landschaft, als sei es ein Teil davon, als hätte es schon immer existiert, genauso wie die Bäume oder die Hecken oder die ferne Themse.
    Miss McChennmine legt die Blumen am Fuß eines einfachen Grabsteins nieder. Eugenia Spence, unsere geliebte Schwester. 6. Mai 1812 – 6. April 1871.
    »Ich wusste nicht, dass es einen Grabstein für Eugenia Spence gibt.«
    »So hätte sie sich gewünscht, in Erinnerung behalten zu werden – einfach, ohne Firlefanz.«
    »Wie war sie?«, frage ich.
    »Eugenia? Sie hatte eine rasche Auffassungsgabe und beherrschte die Magie aus dem Effeff. Zu ihrer Zeit war sie die Mächtigste des Ordens. Freundlich, aber bestimmt. Sie glaubte, dass die Regeln ausnahmslos befolgt werden müssen, weil jede Abweichung unweigerlich ins Unglück führt. Diese Schule war ihr Lebenswerk. Ich habe viel von ihr gelernt. Sie war meine Ratgeberin. Ich habe sie von ganzem Herzen geliebt.«
    Sie wischt den Schmutz von ihren Händen und zieht ihre Handschuhe an.
    »Es tut mir leid für Sie«, sage ich. »Es tut mir leid, dass meine Mutter …«
    Miss McChennmine knöpft mit flinken Fingern ihr Cape zu. »Das Chaos hat sie getötet, Miss Doyle. Zwei Mädchen, die die Regeln verletzt haben, haben uns unsere geliebte Lehrerin genommen. Vergessen Sie das nicht.«
    Ich senke beschämt den Blick.
    »Es tut mir leid«, sagt sie. »Das war zu hart von mir. Ich gestehe, dass ich enttäuscht war, als ich entdeckte, dass Marys Tochter der Schlüssel zum Magischen Reich ist. Dass diejenige, deren Missgeschick zu Eugenias Tod geführt hatte, unsere Rettung geboren haben sollte …« Sie schüttelt den Kopf. »Es schien, als habe sich das Schicksal einen grausamen Scherz erlaubt.«
    »Ich bin nicht so schlecht wie das alles«, protestiere ich.
    »Für etwas Großes zu kämpfen, ist eine Sache. Etwas völlig anderes ist es, wenn einem diese Sache in die Wiege gelegt wird. Ich fürchtete, das Blut Ihrer Mutter würde Sie dazu verleiten, gefährliche Entscheidungen zu treffen …« Sie blickt nach Spence, wo die Männer draufloshämmern, um den zerstörten Ostflügel neu erstehen zu lassen. »Und es ist Ihnen noch immer nicht gelungen, das Magische Reich zu betreten oder die Magie des Tempels wiederzuerlangen?«
    »Leider nein.« Ich studiere den Grabstein von Eugenia Spence in der Hoffnung, dass Miss McChennmine die Lüge nicht bemerkt, die mir die Röte in die Wangen treibt.
    »Ich frage mich, warum es mir so schwerfällt, das zu glauben«, sagt sie.
    »Und gibt es keine andere Möglichkeit, ins Magische Reich zu gelangen?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.
    »Keine, die mir bekannt ist«, sagt Miss McChennmine. Sie fasst mit einer Hand nach meinem Haar und steckt mir eine verirrte Locke hinters Ohr. »Wir werden Geduld haben müssen. Ich bin sicher, Ihre Zauberkräfte werden zurückkehren.«
    »Außer das Magische Reich hat mich nicht dazu auserwählt, das Werk weiterzuführen«, erinnere ich sie.
    Sie schmunzelt. »Das bezweifle ich, Miss Doyle. Kommen Sie, wir wollen unsere Sachen einsammeln.«
    Sie macht sich auf den Weg zu unserem Picknickplatz und ich folge ihr.
    Ich wickle die Serviette, die sie so ordentlich zusammengerollt hat, wieder auseinander. »Miss McChennmine, wenn die Magie in mir aufflackern würde und wenn ich das Magische Reich wieder betreten könnte … würde der Orden sich dann mit den Völkern und Clans des Reichs verbünden?«
    Zorn blitzt aus ihren Augen. »Sie meinen, ob wir mit denen, die über Jahrhunderte zu unserem Untergang beigetragen haben, die Macht teilen würden?«
    »Aber wenn sich die Dinge geändert haben …«
    »Nein, Miss Doyle. Manche Dinge werden sich niemals ändern. Wir wurden für unseren Glauben und unsere Zauberkraft verfolgt, sowohl im Magischen Reich als auch außerhalb. Wir werden sie nicht so leicht aufgeben. Unsere Mission ist es, die Magie an den Tempel zu binden, die Runen wieder zu errichten und das Magische Reich wieder zu dem zu machen, was es war, bevor diese schreckliche

Weitere Kostenlose Bücher