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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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willst du hin?«, fragt Ann.
    »Ich werde Ascha fragen, ob sie einen Schutzzauber für uns hat«, lüge ich mit schlechtem Gewissen.
    »Wir kommen mit«, sagt Felicity.
    »Nein! Ich meine, ihr solltet Pippa und die anderen Mädchen vorbereiten. Ruft alle zusammen.«
    Felicity nickt. »Gut. Sieh zu, dass du bald zurück bist.«
    »Das werde ich«, sage ich und wenigstens das entspricht der Wahrheit.
    Ich renne durch die staubigen Gänge des Tempels, geradewegs zum Brunnen der Ewigkeit. Circe treibt unter der Oberfläche und wartet.
    »Ist die Zeit meines Hinscheidens so bald schon gekommen?«, fragt sie mit einer weit kräftigeren Stimme als letztes Mal.
    Ich kann meine Wut kaum bezähmen. »Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie Wilhelmina Wyatt kennen?«
    »Sie haben nicht gefragt.«
    »Sie hätten es erwähnen können!«
    »Wie schon gesagt, alles hat seinen Preis.« Sie stößt mit einem Seufzer die Luft aus.
    »Soviel ich weiß, haben Sie sie getötet«, sage ich und nähere mich schrittweise dem Brunnen.
    »Sind Sie deswegen hergekommen? Um mich über eine alte Schulkameradin auszufragen?«
    »Nein«, sage ich. Ich hasse mich selbst dafür, noch einmal hierher zurückgekehrt zu sein, aber sie ist schon in der Winterwelt gewesen. Das Tagebuch meiner Mutter bezeugt es. Sie ist die Einzige, die ich fragen kann. »Ich bitte Sie, mir von der Winterwelt zu erzählen.«
    Ein wachsamer Ton schleicht sich in ihre Stimme ein. »Warum?«
    »Wir gehen dorthin«, sage ich. »Ich will es selbst sehen.«
    Sie schweigt lange. »Sie sind nicht bereit für die Winterwelt.«
    »Doch, das bin ich«, erkläre ich.
    »Haben Sie Ihre dunklen Winkel schon erforscht?«
    Ich fahre mit meinen Fingern über die glatt polierten Steine des Brunnens. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Genau deshalb sind Sie eine leichte Beute.«
    »Ich habe Ihre Rätsel satt«, fahre ich sie an. »Entweder erzählen Sie mir von der Winterwelt oder nicht.«
    »Also gut«, sagt sie nach einer kleinen Pause. »Kommen Sie näher.«
    Abermals lege ich meine Hand auf den Rand des Brunnens, in dessen Steinen ich immer noch die Magie fühlen kann. Dann lege ich die Hand auf Circes Herz. Irgendwie fällt es mir diesmal leichter; mein Verlangen, mehr über die Winterwelt zu erfahren, und mein sehnlicher Wunsch, das Geheimnis des Baumes Aller Seelen zu ergründen, sind stärker als meine Besorgnis. Für ein paar Sekunden erglüht Circe unter dem Strom der Magie. Die Andeutung eines Lächelns spielt um ihre sich zart rötenden Lippen. Mit dieser zweiten Gabe ist sie schöner und lebendiger geworden – wieder mehr wie meine geliebte Lehrerin, Miss Moore. Dieses Gesicht zu sehen erschreckt mich. Ich wische meine nasse Hand an meinem Nachthemd ab, als könne ich damit alle Spuren tilgen.
    »Nun gut, ich habe Ihnen die Magie gegeben, um die Sie gebeten hatten. Jetzt die Winterwelt, bitte.«
    Circes flüsternde Stimme hallt in der Höhle wider. »Am Tor wird man Ihnen Fragen stellen. Sie müssen sie ehrlich beantworten, sonst werden Sie nicht eingelassen.«
    »Was für Fragen? Sind sie schwer?«
    »Für manche schon«, antwortet sie. »Sobald Sie drinnen sind, folgen Sie dem Fluss. Lassen Sie sich auf keinen Handel, auf keine Versprechungen ein. Sie können nicht immer auf das vertrauen, was Sie sehen und hören, denn es ist eine Welt voll Zauber und Schwindel.«
    »Gibt es sonst noch etwas?«, frage ich, denn das Bisherige war nicht besonders ergiebig.
    »Ja«, sagt sie. »Gehen Sie nicht. Sie sind noch nicht bereit dafür.«
    »Ich werde nicht die gleichen Fehler machen wie Sie, das steht fest«, entgegne ich scharf. »Sagen Sie mir noch eines: Gibt es den Baum Aller Seelen wirklich?«
    »Ich hoffe, Sie werden wiederkommen und es mir sagen.«
    Ein plätscherndes Geräusch kommt aus dem Brunnen, wie von winzigen Bewegungen. Aber das ist unmöglich – sie ist gefangen. Ich blicke hin und Circe ist so reglos wie der Tod.
    »Gemma?«, ruft Circe mir nach.
    »Ja?«
    »Warum will Wilhelmina, dass Sie in die Winterwelt gehen?«
    »Weil«, sage ich und weiß nicht weiter, denn diese Frage habe ich mir bis jetzt nicht gestellt und sie erfüllt mich mit Zweifel.
    Da ist es wieder – das leise Plätschern. Die Wände der Höhle tropfen vor Feuchtigkeit und ich vermute, dass das Geräusch daher kommt.
    »Seien Sie vorsichtig, Gemma.«
    *
    Pippa und die anderen warten im blauen Wald auf mich. Die Beeren an den Bäumen sind gereift. Überall stehen halb gefüllte Körbe.

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