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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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seinen Mundwinkeln sammelt sich Speichel an.
    »Das habe ich nicht gewollt«, protestiere ich. »Glauben Sie mir.«
    »Das werden Sie mir büßen!« Er wendet sich Kartik zu. »Ich hoffe, du hast dir gut gemerkt, was du bei uns gelernt hast, Bruder. Du wirst es brauchen.« Fowlson schwingt sich zu mir herum, obwohl ich außer seiner Reichweite bin. Er kann nicht anders, er ist es sich schuldig. »Ich werde dich zerschmettern, du Miststück!«
    Dafür sollte ich ihm eine Ohrfeige geben, aber ich tu es nicht. Ich sehe immerfort den kleinen Jungen, der in der Ecke der Küche kauert.
    »Die Magie wird nicht lange anhalten. Eine Stunde, höchstens zwei. Und wenn Sie dann frei sind, werden Sie uns nicht mehr verfolgen, Mr Fowlson, oder Sie werden meine Zauberkraft noch einmal zu spüren bekommen.«
    Kartik nimmt meine Hand und führt mich aus dem Kanal hinaus. Wir lassen Fowlson und seine Kumpane ohnmächtig vor sich hin fluchend in der Kloake zurück.
    *
    Es tut gut, an der verschmutzten Themse entlangzugehen. Die Flussluft, die vor einer Stunde so widerwärtig schien, ist süß im Vergleich zu dem erstickenden Kanalgeruch. Das todbringende Husten und der eintönige Gesang der Mud harks schallen gespenstisch durch den Nebel. Ein plötzlicher, erfreuter Ausruf dringt daraus hervor. Jemand hat einen Klumpen Kohle gefunden. Die Nachricht wird mit Begeisterung und lautem Getöse begrüßt, als alle zu der verheißungsvollen Stelle stürzen. Doch es stellt sich heraus, dass es nichts weiter als ein Felsbrocken ist. Ich höre, wie er mit einem schweren Platsch ins Flussbett der Themse zurückgeworfen wird, diesem Friedhof der Hoffnung.
    »Ich muss mich ein bisschen ausruhen«, sage ich.
    Wir setzen uns auf einen der Stege und schauen zu den Booten hinaus, die auf dem Fluss schaukeln.
    »Sind Sie in Ordnung?«, frage ich nach langem Schweigen.
    Er zuckt mit den Schultern. »Sie haben gehört, was er gesagt hat. Und nun verachten Sie mich dafür.«
    »Das ist nicht wahr«, sage ich. »Amar meinte …« Ich denke an meine jüngste Begegnung mit Kartiks Bruder in der Winterwelt. Aber ich bin nicht bereit, das jetzt schon preiszugeben. »In Ihrem Traum meinte er, Sie würden mein Tod sein. Ist das der Grund, warum Sie sich von mir ferngehalten haben?«
    Er antwortet nicht sofort. »Ja, das ist ein Teil davon.«
    »Was ist der andere Teil?«
    Kartiks Gesicht verdüstert sich. »Ich … es ist nichts.«
    »Wollten Sie sich deswegen nicht dem Bündnis anschließen?«, frage ich.
    Er nickt. »Wenn ich das Magische Reich nicht betrete, kann sich der Traum nicht erfüllen. Ich kann Ihnen keinen Schaden zufügen.«
    »Sie haben gesagt, Unwissenheit sei keine Bestimmung«, erinnere ich ihn. »Wenn Sie nicht ins Magische Reich gehen, dann werden Sie nur nicht im Magischen Reich gewesen sein. Außerdem gibt es Hunderte von Möglichkeiten, mir etwas anzutun, selbst hier, wenn Sie wollten. Sie könnten mich in die Themse schmeißen. Mich in einem Duell erschießen.«
    »Sie mit den Gedärmen eines großen Tiers aufhängen«, setzt er lächelnd fort.
    »Mich für immer Mrs Nightwing ausliefern, um zu Tode gepiesackt zu werden.«
    »Ah, das ist grausam, sogar für einen wie mich.« Kartik schüttelt lachend den Kopf.
    »Sie finden meinen drohenden Tod so amüsant?«, necke ich ihn.
    »Nein. Das ist es nicht. Sie haben Fowlson hereingelegt«, sagt er und nun grinst er von einem Ohr bis zum anderen. »Das war … ungeheuerlich.«
    »Ich dachte, meine Zauberkraft hat Sie erschreckt.«
    »Ja, das hat sie. Das tut sie. Ein bisschen«, gibt er zu. »Aber, Gemma, Sie könnten die Welt verändern.«
    »Dazu bedürfte es sehr viel mehr als meiner Zauberkraft«, sage ich.
    »Richtig. Aber Veränderung muss sich nicht mit einem Schlag vollziehen. Kleine Gesten können eine Veränderung bewirken. Einzelne Momente. Verstehen Sie?« Er sieht mich jetzt mit einem Blick an, den ich nicht deuten kann. Ich weiß nur, dass ich wegschauen muss.
    In der Ferne tutet ein Nebelhorn. Ein Boot stampft weiter in Richtung Meer.
    »Was für ein düsterer, trauriger Ton. So verlassen«, sage ich und drücke meine Knie an meine Brust. »Fühlen Sie sich manchmal so?«
    »Verlassen?«
    Ich suche nach den Worten. »Ruhelos. Als hätten Sie sich selbst noch nicht wirklich getroffen. Als seien Sie sich einmal im Nebel begegnet und Ihr Herz machte einen Sprung … ›Ah! Hier bist du! Dieses Stück von mir hab ich vermisst!‹ Aber es geht zu schnell und dieser Teil von Ihnen

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