Kartiks Schicksal
ist eine von denen ! «, ruft er.
»Mr Miller, lassen Sie sie sofort los«, befiehlt Mrs Nightwing.
»Sie würden das nicht so voreilig sagen, Ma’m, wenn Sie wüssten, was sie getan hat. Sie ist die, die die Hexenzeichen gemalt hat. Und wer weiß, was sonst noch alles.«
Mutter Elenas Gesicht ist hager. Ihr Kleid ist ihr zu groß geworden. »Ich versuche uns zu schützen ! «
Die Zigeuner strömen aus dem Lager herbei. Hinter ihnen Kartik, im Laufen seine Hosenträger hochziehend, das Hemd nur halb zugeknöpft, und in meinem Magen breitet sich Wärme aus.
Eine der Zigeunerinnen meldet sich. »Sie ist krank.«
Mr Miller lässt Mutter Elenas Arm nicht los. »Sie bleibt, bis mir dieses Zigeunerpack sagt, wo Tambley und Johnny sind.«
»Wir haben sie nicht entführt.« Ithal marschiert über den Rasen, dabei krempelt er seine Ärmel auf, als mache er sich zum Kampf bereit. Er ergreift Mutter Elenas anderen Arm.
Mr Miller zerrt rücksichtslos an der alten Frau, sodass sie stolpert. »Ich frag euch noch einmal: Wo sind meine Männer?«
»Das reicht jetzt!«, brüllt Mrs Nightwing in voller Direktorinnenlautstärke und alles verstummt. »Mr Miller, Mutter Elena geht es nicht gut und es wäre angebracht, ihren Leuten zu erlauben, sich um sie zu kümmern. Wenn sie wieder so weit auf den Beinen ist, um reisen zu können, erwarte ich, nichts mehr von ihr zu sehen.« Sie fixiert Ithal. »Die Zigeuner sind auf unserem Grund und Boden nicht mehr willkommen. Und was Sie betrifft, Mr Miller, Sie haben eine Arbeit zu verrichten, oder nicht?«
»Ich will meine Männer wiederhaben, bevor ihr euch auf die Socken macht«, sagt Mr Miller drohend zu Ithal. »Oder ich will einen von euch dafür.«
Im weiteren Verlauf des Tages lässt Mrs Nightwing sich durch unsere Bitten erweichen. Sie erlaubt uns, als Werk der Nächstenliebe einen Korb mit Essen und Medizin für Mutter Elena zusammenzupacken.
»Mutter Elena war hier, solange ich denken kann«, sagt unsere Direktorin. Behutsam packt sie einen Topf Pflaumenkompott in den Korb. »Ich kenne Ithal, seit er ein kleiner Junge war. Der Gedanke, dass sie für immer fort sein werden, tut mir weh.«
Brigid klopft Mrs Nightwing mitfühlend auf die Schulter und Mrs Nightwing versteift sich unter der Berührung. »Trotzdem, Vandalismus kann nicht geduldet werden.«
»Arme alte närrische Frau«, sagt Brigid. »Sie sieht genauso abgenutzt aus wie mein Taschentuch.«
Ein Schatten der Reue huscht über das Gesicht unserer Direktorin. Sie steckt noch eine Extradose Pastillen in den Korb. »So. Wer erklärt sich nun freiwillig bereit, das hier zu …«
»Ich!«, platze ich heraus und schlinge meinen Arm um den Henkel des Korbes, damit mir niemand anderes zuvorkommt.
Am Himmel brauen sich Regenwolken zusammen. Mit dem Korb fest in den Armen laufe ich durch den Wald zum Lager der Zigeuner. Die Zigeunerinnen sind nicht erfreut, mich zu sehen. Mit verschränkten Armen sehen sie mir misstrauisch entgegen.
»Ich bringe Essen und Medizin für Mutter Elena«, erkläre ich.
»Wir wollen Ihr Essen nicht«, sagt eine ältere Frau mit langen Zöpfen, in die Goldmünzen eingeflochten sind. »Es ist marime – unrein.«
»Ich möchte nur helfen«, sage ich.
Kartik spricht in Romani mit der Frau. Das Gespräch ist hitzig – ich höre immer wieder das Wort Gadje in erbittertem Ton – und gelegentlich schauen sie mit finsteren Blicken zu mir herüber. Schließlich ist die Frau mit den langen Zöpfen einverstanden, dass ich zu Mutter Elena gehe, und ich sause zu deren Zelt und ziehe an der an einem Nagel angebrachten Glocke.
»Komm«, ruft Mutter Elena mit schwacher Stimme.
Das Zelt riecht nach Knoblauch. Mehrere Knollen liegen neben einem Mörser und Stößel auf einem Tisch. Regale sind mit allen möglichen Tinkturen und Kräutern in Glastöpfen vollgestellt. Auch kleine Amulette aus Metall liegen da und ich bin überrascht, zwischen zwei Flaschen eine kleine Statue der Göttin Kali zu sehen, obwohl ich weiß, dass die Zigeuner vor langer, langer Zeit aus Indien kamen. Ich fahre mit den Fingern über die Figur – die vier Arme, die lange Zunge, den Kopf eines Dämons in einer Hand und das blutige Schwert in einer anderen.
»Was suchst du?«, ruft Mutter Elena. Durch eine große Flasche sehe ich ihr Gesicht, ihre Züge sind vom Glas verzerrt.
»Du hast einen Talisman von Kali«, antworte ich.
»Die Ewige Mutter.«
»Die Göttin der Vernichtung.«
»Die Vernichtung der Unwissenheit«,
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