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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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fängt den Ausdruck von Schreck und Überraschung auf Fowlsons Gesicht ein, als wir kurzgeschlossen werden und seine Gedanken in meine einsickern.
    Nur für eine Sekunde pulsieren seine Gefühle von maßlosem Zorn und Raserei durch meine Adern. Sie werden von einer flüchtigen Erinnerung verdrängt – ein kleiner Junge, eine dunkle Küche, ein Topf mit Wasser und eine große, finster blickende Frau mit wutverzerrtem Mund. Ich kenne die Ursache ihrer Wut nicht, aber ich fühle die Furcht des Kindes. Tatsächlich zieht sich mein Magen vor Grauen zusammen. Im nächsten Moment ist es vorbei und nun ist die Magie vollständig in mir erwacht.
    »Ja«, sage ich. »Ich habe gelogen. Und jetzt werde ich Sie bitten müssen hierzubleiben, Mr Fowlson.«
    Ich weise die Magie an, die Dinge, die ihm und seinen Gefährten gerade durch den Kopf gehen, umzuformen. Ihr könnt nicht folgen. Ich spreche es nicht aus, aber die Wirkung ist die gleiche. Fowlson stellt überrascht fest, dass seine Beine seinen Befehlen nicht gehorchen. Sie sind auf der Stelle festgewachsen. Das Messer fällt ihm aus den Fingern; die Hände hängen zu beiden Seiten schlaff an ihm herunter. Und Kartik ist befreit. Fowlsons Kumpane können einander nur ansehen, als suchten sie nach einer Erklärung. Sosehr sie sich auch anstrengen, sie sind unfähig, sich zu bewegen.
    »Was machst du mit mir, du Hexe!«, schreit Fowlson.
    »Das haben Sie sich selbst zuzuschreiben, Mr Fowlson«, erwidere ich. »Schwören Sie, meinen Bruder in Ruhe zu lassen.«
    Fowlson bemüht sich vergeblich, sich von dem Bann zu befreien. »Mach mich los oder ich werde dir alle Knochen im Leib brechen!«
    »Das reicht. Schwören Sie’s.«
    Er grinst und seine trotzige Herausforderung macht mich wütend. »Das Einzige, was ich dir schwöre, ist: Das alles kümmert mich im Moment einen feuchten Dreck. Hier geht’s nur um uns zwei. Ich werde dich kriegen, du kleine Hexe. Du wirst noch um Gnade flehen.«
    Die Magie beginnt wild und zügellos in mir zu toben. Ich kann mich selbst nicht mehr richtig fühlen. Ich fühle nur noch eine rasende, blinde Wut. Ich möchte ihm wehtun, ihm meinen Willen aufzwingen. Ich will, dass er weiß, wer hier die Macht hat. Das sollst du mir büßen …
    Fowlson reißt in plötzlichem Entsetzen die Augen auf. Langsam kippt er vorwärts, sein Gesicht kommt dem wässrigen Unrat auf dem Grund des Kanals immer näher und näher. Er kann nicht sprechen; meine Wut lässt es nicht zu. Meine Augenlider flattern. Kartik redet mir zu, ich solle vernünftig sein, aber ich will es nicht hören; alles in mir schreit nach Vergeltung.
    Etwas geistert durch meine Seele. Der Junge in der Küche. Die ärgerliche Frau rollt ihre Ärmel auf. Der kleine Junge duckt sich vor ihrem furchtbaren Zorn. Du elender Bastard, flucht sie, ich werde dir zeigen, was Respekt ist. Ich werde dir alle Knochen im Leib brechen. Sie taucht seinen Kopf in den Topf mit Wasser und hält ihn fest, während der Junge verzweifelt um sich schlägt. Du wirst noch um Gnade flehen ! Der Junge kommt nach Atem ringend hoch und sie taucht ihn noch einmal unter. Ich fühle seine Angst, als sich das Ganze ein ums andere Mal wiederholt. Er ist nahe daran zusammenzubrechen und für einen Moment überlegt er, ob er es soll, überlegt, seine Lungen mit diesem Wasser zu füllen, um sie glücklich zu machen, damit sie wieder gut ist. Aber er schafft es nicht. Er versagt. Sie zieht seinen Kopf eine Handbreit hoch und es gelingt ihm, ein Wort herauszusprudeln: Gnade. Sie schlägt ihm ins Gesicht und ihr Ring schneidet in seine Wange. Er krümmt sich in der Ecke zusammen, presst seine Hand auf den tiefen Riss, aber er wagt es nicht, einen Laut von sich zu geben. Morgen wird er sich mehr bemühen. Morgen wird sie ihn lieben. Morgen wird er sie nicht so sehr hassen.
    Es ist, als hätte ich einen Schlag erhalten. Die Magie flackert; ich stolpere und stütze mich an der nassen Wand ab. Fowlsons Gesicht ist eine Handbreit vom schmutzigen Wasser entfernt. Halt, sage ich zu mir selbst. Halt. Die Magie legt sich in mir zur Ruhe. Mein Kopf tut weh und meine Hände zittern.
    Fowlson richtet sich schwer atmend auf.
    »Es tut mir leid«, sage ich mit rauer Stimme. »Ihre Mutter … sie hat Sie geschlagen. Sie hat Ihnen die Narbe zugefügt.«
    Fowlson hat Mühe zu sprechen. »Kein Wort über meine Mutter! Sie war eine Heilige!«
    »Nein«, flüstere ich. »Sie war ein Ungeheuer. Sie hat Sie gequält.«
    »Schweigen Sie!«, schreit er und in

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