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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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verschwindet wieder im Nebel. Und Sie suchen bis ans Ende Ihrer Tage weiter danach.«
    Er nickt und ich denke, er will mich beruhigen. Ich komme mir dumm vor, weil ich das gesagt habe. Es ist sentimental, aber wahr und ich habe etwas von mir preisgegeben, was ich lieber für mich behalten hätte.
    »Wissen Sie, was ich denke?«, fragt Kartik schließlich.
    »Was?«
    »Manchmal denke ich, Sie können in einen anderen hineinschauen.«
    Und damit beugt er sich vor und ich mich auch. Wir treffen uns in einem Kuss, der nicht gestohlen, sondern geteilt ist. Seine Hand umfasst meinen Nacken. Meine Hände finden sein Gesicht. Ich ziehe ihn enger an mich. Der Kuss vertieft sich. Die Hand in meinem Nacken gleitet nach unten auf meinen Rücken und drückt mich an seine Brust.
    Von den Docks dringt Lärm herüber. Wir lassen einander los, aber ich möchte mehr. Kartik grinst. Seine Lippen sehen vom Küssen leicht geschwollen aus und ich frage mich, ob meine das auch tun.
    »Man wird mich verhaften«, sagt er, mit dem Kinn auf meine Hosen deutend, die mich wie einen Jungen aussehen lassen.
    Der eindringliche Glockenschlag des Big Ben erinnert uns daran, wie spät es ist.
    »Wir sollten besser gehen«, sagt Kartik. »Diese Verzauberung dauert nicht ewig an und ich will nicht hier stehen, wenn Fowlson und seine Männer frei sind.«
    »Richtig.«
    Wir gehen an den Stellen vorbei, wo die Mud Larks im Schlamm buddeln. Und nur für ein paar Sekunden lasse ich die Magie wieder los.
    »He! Bei allen Heiligen!«, ruft ein Junge vom Fluss her.
    »’nen Schatz gefunden?«, ruft eine alte Frau zurück. Die anderen brechen in gackerndes Gelächter aus.
    »’s sind keine Steine!«, schreit der Junge. Er stürzt aus dem Nebel herbei, irgendetwas in seiner Hand bergend. Die anderen umringen ihn neugierig. In seiner Hand ist ein kleines Häufchen Rubine. »Wir sind reich, Freunde! Das gibt ’n heißes Bad und ’nen vollen Bauch für uns alle!«
    Kartik sieht mich misstrauisch an. »Das war ein erstaunlicher Glücksfall.«
    »Ja, allerdings.«
    »Ich nehme nicht an, dass Sie dabei Ihre Hand im Spiel hatten.«
    »Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen«, sage ich.
    Und so vollzieht sich Veränderung. Durch eine Geste. Einen Menschen. Einen winzigen Moment.
    *
    Freya trägt uns sicher nach Spence zurück. Der Neumond ist uns keine große Hilfe, aber das Pferd kennt den Weg und wir können nicht viel mehr tun, als zu reiten und uns nach unserem nächtlichen Abenteuer zu entspannen.
    »Gemma«, sagt Kartik nach einer Weile, »ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt. Jetzt müssen Sie mir sagen, was Sie von Amar wissen.«
    »Er hat mit mir gesprochen. Er hat mir aufgetragen, Ihnen eine Botschaft zu überbringen.«
    »Was für eine Botschaft?«
    »Er hat gesagt, Sie sollen in Ihr Herz blicken, dort seien Ihre Ehre und Ihr Schicksal zu finden. Ergibt das für Sie einen Sinn?«
    »So etwas pflegte er von Zeit zu Zeit zu sagen – dass das Auge sich täuschen kann, nicht aber das Herz.«
    »Dann existiert also Ihr Bruder zu einem gewissen Teil noch.«
    »Es wäre besser, wenn es nicht so wäre.«
    Wir schweigen wieder. Die Straße wird glatter. Ich bin so müde, dass mein Kopf auf Kartiks Schulter sinkt.
    »Entschuldige«, sage ich gähnend.
    »Schon gut«, antwortet er sanft und mein Kopf fällt wieder auf seinen Rücken. Meine Augenlider sind schwer. Ich könnte tagelang schlafen. Wir passieren den Friedhof zu unserer Linken. Raben hocken auf den Grabsteinen, und bevor mir die Augen zufallen, glaube ich ein schwaches Flimmern zu sehen. Die Raben verschwinden darin und auf dem Hügel ist alles dunkel und totenstill.

39. Kapitel
    Der Morgen bricht mit einem wilden Tumult an. Lautes Geschrei tönt vom Rasen herüber. Es gibt Ärger und Ärger zieht uns an wie ein Jahrmarktschreier. Als ich mein Fenster öffne und den Kopf hinausstrecke, zähle ich mindestens ein Dutzend weitere Köpfe, die aus anderen Fenstern schauen, einschließlich Felicitys. Es ist so früh, dass Miss McChennmine noch im Morgenmantel ist, mit einer Nachthaube auf dem Kopf. Mrs Nightwing trägt ihr übliches schwarzes Kleid mit diesem lächerlichen Bausch auf der Rückseite. Ich bezweifle nicht, dass sie darin schläft. Nach allem, was ich weiß, wurde sie mit einem vollständigen Korsett geboren.
    Mit einer Hand hat Mr Miller Mutter Elena am Arm gepackt; in der anderen hält er ihren blutgefüllten Eimer.
    »Wir haben die Vandalin gefunden, und genau wie ich’s gesagt hab, ’s

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