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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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korrigiert mich Mutter Elena. »Sie allein hilft uns, durch das Feuer des Wissens zu gehen, in unsere eigene Dunkelheit zu blicken, damit wir sie nicht fürchten, sondern von ihr befreit werden. Denn in uns ist beides, sowohl Chaos als auch Ordnung. Komm her, wo ich dich sehen kann.«
    Sie sitzt auf ihrem Bett und mischt abwesend einen Stapel Tarotkarten. Ihr Atem geht schwer. »Warum bist du gekommen?«
    »Ich habe von Mrs Nightwing Lebensmittel und Medizin gebracht. Aber sie sagen, du willst sie nicht essen.«
    »Ich bin eine alte Frau. Ich tue, was ich will.« Sie nickt mir zu, ich soll den Korb öffnen. Ich hole den Käse heraus. Sie riecht daran und verzieht angewidert das Gesicht. Ich lege den Käse sofort wieder zurück und nehme das Brot heraus, zu dem sie nickt. Sie reißt mit ihren rauen Händen kleine Stücke davon ab.
    »Versuch sie zu warnen«, sagt sie plötzlich.
    »Wovor wolltest du sie warnen?«
    Ihre Hand wandert zu ihrem Haar, das dringend eine Bürste braucht. »Carolina ist im Feuer umgekommen.«
    »Ich weiß«, sage ich und schlucke, um gegen das lästige Kratzen in meiner Kehle anzukämpfen. »Es ist schon so lange her.«
    »Nein. Was vergangen ist, ist nie vergangen. Es ist noch nicht vollendet«, murmelt sie. Sie würgt an dem Brot. Ich gieße ihr ein Glas Wasser ein und helfe ihr, kleine Schlucke zu trinken, bis sich der Krampf löst. »Jedes Ding hat zwei Seiten«, flüstert sie, während sie den Talisman reibt, den sie um den Hals trägt.
    »Was meinst du?«
    Die Hunde bellen. Ich höre, wie Kartik sie beruhigt und eine der Frauen ihn schilt, weil er Hunde streichelt.
    »Einer von ihnen bringt uns die Toten.«
    Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. »Einer von ihnen bringt die Toten?«, wiederhole ich. »Wer?«
    Mutter Elena antwortet nicht. Sie deckt eine Tarotkarte auf. Das Bild auf der Karte zeigt einen hohen, vom Blitz getroffenen Turm. Flammen schlagen aus den Fenstern und zwei glücklose Menschen fallen auf die darunterliegenden Felsen.
    Ich lege meinen Finger auf die schreckliche Karte, als könne ich das Geschehen aufhalten.
    »Vernichtung und Tod«, erklärt Mutter Elena. »Veränderung und Wahrheit.«
    Plötzlich fliegt die Tür des Wagens auf und ich fahre erschrocken herum. Die Zigeunerin mit den langen Zöpfen steht auf der Schwelle und starrt mich misstrauisch an. Mit scharfer Stimme fragt sie Mutter Elena etwas in ihrer Muttersprache. Mutter Elena antwortet.
    Die Frau hält die Tür auf. »Genug. Sie ist krank. Gehen Sie jetzt. Nehmen Sie den Korb mit.«
    Beschämt greife ich nach dem Korb, als Mutter Elena meinen Arm packt. »Das Tor muss geschlossen bleiben. Sag ihnen das.«
    »Ja, ich werde es ihnen sagen«, erwidere ich und verlasse rasch das Zelt.
    Ich nicke Kartik im Vorbeigehen zu. Er folgt mir in einigem Abstand mit den Hunden, bis wir weit genug vom Lager entfernt sind und Spence noch nicht zu sehen ist
    »Was hatte Mutter Elena zu sagen?«, fragt er. Die Hunde schnüffeln am Boden. Sie sind unruhig. Donner grollt in der Ferne. Die Luft riecht nach Regen und der Wind hat aufgefrischt. Er zerzaust wild mein Haar.
    »Sie glaubt, der Ostflügel ist verflucht, dass er den Tod bringen wird. Dass jemand die Toten bringen wird. Dass jemand will, dass sie kommen.«
    »Wer?«, fragt er.
    »Das weiß ich nicht. Ich verstehe nicht, was sie meint.«
    »Sie ist sehr krank«, erklärt Kartik. »Sie hat in der Nacht den Ruf einer Eule gehört; das ist eine Ankündigung des Todes. Sie wird den Sommer wahrscheinlich nicht mehr erleben.«
    »Es tut mir leid, das zu hören«, sage ich.
    Einer der Hunde springt an meinem Rock hoch und möchte gestreichelt werden. Ich kraule ihn sanft hinter den Ohren und er leckt an meiner Hand. Kartik streicht ebenfalls über das Fell und unsere Finger berühren sich für einen Moment. Ein elektrischer Strom geht durch mich hindurch.
    »Letzte Nacht hatte ich einen neuen Traum«, sagt er und blickt wachsam um sich. Als er sicher ist, dass uns niemand sieht, kommt er näher und küsst mich auf die Stirn, auf die Augenlider und schließlich den Mund. »Ich war in einem Garten. Weiße Blüten fielen von den Bäumen. Es war der schönste Ort, den ich jemals gesehen habe.«
    »Du hast das Magische Reich beschrieben.« Ich versuche, durch seine Lippen zu sprechen, die auf meinen liegen. »Und war ich in dem Traum?«
    »Ja«, sagt er. Es folgt keine weitere Erklärung, nur eine Reihe von Küssen an meinem Hals entlang, was mich ein bisschen

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