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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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schwindlig macht.
    »War es schlimm?«, frage ich zögernd, denn plötzlich habe ich Angst davor, was es gewesen sein könnte.
    Er schüttelt langsam den Kopf und ein spöttisches Lächeln stiehlt sich in seine Mundwinkel. »Vielleicht muss ich dieses Magische Reich mit eigenen Augen sehen.«
    Der Donner kommt näher; kleine Funken knistern am Himmel. Dicke Regentropfen platschen durch die Bäume und treffen mein Gesicht. Kartik lacht und wischt mit dem Rücken seiner Hand die Nässe von meinen Wangen.
    »Marsch, ins Trockene ! «
    Bis ich den oberen Rand der Lichtung erreicht habe, gießt es in Strömen, aber es macht mir nichts aus. Ich grinse wie ein Idiot. Ich werfe meine Arme hoch und lasse die nassen Küsse auf mein erhobenes Gesicht prasseln. Hallo, Regen! Viel Glück und viel Segen ! Ich trete fest in eine Pfütze und lache, als der Schmutz auf mein Kleid spritzt.
    Mr Millers Männer sind nicht so glücklich. Sie werfen hastig ihre Mäntel über und ziehen die Schultern hoch, um ihren nass geschwitzten Hals gegen den heftigen Wind zu schützen. Sie sammeln die Werkzeuge ein und rufen einander durch das Getöse zu.
    »So schlimm ist es wirklich nicht«, sage ich, als ob sie mich hören könnten. »Ihr solltet kommen und eine Dusche nehmen. Würde euch guttun …«
    Es überfällt mich so plötzlich, dass ich kaum dazu komme, Luft zu holen. Im einen Moment sehe ich den Turm und die Männer, im nächsten Moment sind sie ausgeblendet. Ich bin in einem Tunnel und werde mit großer Geschwindigkeit abwärtsgezogen. Und dann bin ich mitten in einer Vision.
    Ich befinde mich in einem kleinen Raum. Ein scharfer Geruch. Es würgt mich. Vögel kreischen. Wilhelmina Wyatt schreibt an die Wände wie eine Besessene. Und das, was ich in dem düsteren Licht sehe, saust herum wie Aufziehspielzeug. Worte: Opfer. Lügen. Ungeheuer. Die Geburt des Mai.
    Die Szenerie ändert sich und ich sehe die kleine Mina mit Sarah Rees-Toome. »Was siehst du im Dunkeln, Mina? Zeig’s mir.«
    Ich sehe Mina auf dem Rasen von Spence, wie sie zu den Wasserspeiern hinauflächelt. Und dann sehe ich, wie sie ein vollkommenes Abbild des Ostflügels zeichnet, sehe, wie sie die Linien zieht, die sich quer über die Erde erstrecken. Die Szene wird weggespült und nun schreibt Wilhelmina mit zornigen Federstrichen einen Brief: Sie haben meine Warnungen ignoriert … werden Sie es bereuen …
    »Miss? Miss?« Ich blinzle und sehe für die Dauer eines Wimpernschlags Mr Millers Männer, die mich auf dem Rasen umringen, und dann bin ich wieder in dem düsteren Raum. Wilhelmina sitzt auf dem Boden mit dem Dolch in der Hand. Der Dolch! Sie holt einen kleinen ledernen Beutel hervor. Sie knüpft ihn auf und entnimmt ihm eine Spritze und Phiolen. Vorsichtig steckt sie den Dolch in den Lederbeutel. Dort ist er also! Ich brauche nichts weiter zu tun als …
    Wilhelmina rollte ihre Ärmel auf und entblößt ihren Arm. Sie tastet mit den Fingern nach den Venen in ihrer Armbeuge. Sie sticht die Nadel der Spritze hinein – und ich fühle einen Schwall, der sich in mich ergießt.
    »Miss!«, ruft jemand.
    Ich komme im strömenden Regen auf dem Rasen zu mir. Mein Herz rast, außer Takt. Meine Zähne knirschen. Eine seltsame Heiterkeit überkommt mich.
    »Sie lächelt, scheint also in Ordnung zu sein«, sagt einer der Männer.
    Ich fühle mich eigenartig. Das Kokain. Ich war mit Wilhelmina Wyatt verbunden. Ich spüre am eigenen Leib, was sie tut. Aber wie? Die Magie. Sie verwandelt. Sie verwandelt, was ich sehe und fühle.
    Zwei der Männer werfen meine Arme über ihre Schultern und schleifen mich zu Brigid in die Küche.
    »Heilige Muttergottes, was ist passiert?«, fragt Brigid. Sie setzt mich auf einen Stuhl ans Feuer und scheucht die Männer fort.
    »Wir haben sie am Waldrand gefunden, sie hatte einen Anfall oder so was«, sagt der eine.
    Einen Anfall. Wie Pippa. Ja, genau. Ich hatte einen Anfall. Ich lache, obwohl ich das Gefühl habe, dass es besser wäre, nicht zu lachen.
    »Alles in Ordnung?«, fragt der andere, bevor er sich trollt.
    »Raus jetzt. Zurück an eure Männerarbeit. Überlasst das da uns Frauen.« Brigid übernimmt das Kommando und ich sehe die Erleichterung in den Gesichtern der Männer, denn das alles bereitet Ihnen Unbehagen. Die Küche. Das Lachen. Der Anfall. Die Geheimnisse, die nur Frauen kennen.
    Eine Decke wird über meine Schultern gebreitet. Der Kessel wird aufgesetzt. Ich höre das Streichen des Zündholzes, das Entfachen des Feuers im

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