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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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die Mädchen, die sich furchtsam zusammendrängen. »Ich halte hier die Stellung. Mutter Elena wird das Zeichen an die Tür malen, wenn Sie gegangen sind, und dann werden wir sie bis zum Morgen nicht wieder öffnen.«
    »Es gibt hier noch einen weiteren Schutz«, sage ich.
    Mrs Nightwing folgt meinem Blick zu dem bunten Glasfenster mit dem Krieger, der das Haupt der Medusa hält.
    »Von den Fenstern?«, kreischt Cecily, die es aufgeschnappt hat.
    »Ihr werdet schon sehen«, sage ich.
    Cecily kauert auf dem Boden und klammert sich an Martha und Elizabeth. »Was werden wir sehen? Ich will überhaupt nichts mehr sehen!« Tränen strömen über ihr Gesicht und vermischen sich mit dem Rotz, der ihr ungehindert aus der Nase läuft. »Das ist alles deine Schuld, Gemma Doyle. Wenn wir das überleben, wird nichts mehr so sein wie bisher«, würgt sie hervor.
    »Ich weiß«, sage ich leise. »Es tut mir leid.«
    »Ich hasse dich«, heult Cecily.
    »Das weiß ich auch.«
    Ein gellender Schrei durchdringt die Nacht, rüttelt an den Fenstern und fährt zwischen die Mädchen, die aufspringen wie eine Herde erschreckter Gänse. Zwischen den Wasserspeiern und den Reitern tobt ein wütender Kampf.
    Mrs Nightwing steht wie ein Fels in der Brandung, doch das Gesangbuch in ihren Händen zittert. »Kommen Sie, meine Mädchen. Nehmen Sie Ihre Gesangbücher. Wir wollen singen.«
    »Oh, Mrs Nightwing«, jammert Elizabeth. »Wie können wir jetzt singen?«
    »Sie werden uns bei lebendigem Leib fressen!«, stimmt Martha in das Klagelied ein.
    »Unsinn!«, ruft Mrs Nightwing durch den Lärm. »Wir sind hier drinnen vollkommen sicher. Wir sind Engländer und ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich als solche benehmen. Kein Gejammer mehr. Lasst uns singen.«
    Mrs Nightwings tiefe Stimme ertönt, von einem leichten Tremolo durchsetzt. Bei jedem weiteren gellenden Schrei, der aus dem Wald dringt, singt sie lauter. Brigid stimmt in den Lobgesang ein und bald folgen auch die Mädchen. Ihre Stimmen bilden ein zeitweiliges Wehr gegen den Schrecken draußen.
    Kartiks Gesicht ist von grimmiger Entschlossenheit. »Bist du bereit?«
    Ich nicke. Felicity, Ann, Fowlson und Miss McChennmine stehen hinter mir wie ein Mann. Ein Trüppchen von sechs gegen ein ganzes Heer. Ich darf nicht daran denken, sonst verlässt mich mit Sicherheit der Mut.
    Kartik öffnet die Tür einen Spalt und wir schlüpfen so leise wie möglich in die Nacht hinaus. Mutter Elena fordert Kartik auf, ihr seine Hand hinzuhalten. Sie sticht ihm in den Finger.
    »Versiegle die Tür von außen mit deinem Blut«, weist sie ihn an. »Ich werde sie von innen versiegeln.«
    Die Kapellentür schließt sich hinter uns und Kartik malt mit seinem Finger ein Zeichen an die Tür. Ich hoffe, dass es ausreichen wird. Der grauweiße Nebel ist dicht; er raubt dem Wald alle Farbe. Wir haben keine Laterne mitgenommen aus Furcht, das Licht könnte uns verraten. Wir müssen uns aus dem Gedächtnis orientieren. Das wilde Kampfgeschrei der Reiter und Wasserspeier hallt durch den Nebel wider, sodass wir nicht wissen, wo sie sind – ganz nah oder weit entfernt, hinter oder vor uns. Wir wissen nur, dass um uns der Kampf tobt.
    Wir gelangen unbehelligt durch den Wald, aber jetzt müssen wir noch den Rasen überqueren. Mein Herz klopft wie wild. Die Angst erzeugt in mir eine Klarheit, wie ich sie nie zuvor gekannt habe; jeder Muskel ist gespannt, bereit zum Sprung. Kartik hält einen Finger hoch und legt den Kopf zur Seite, um zu lauschen.
    »Hier entlang«, flüstert er.
    Wir folgen ihm schnell und bemühen uns, einander im dichten Nebel nicht zu verlieren. Das Kriegsgeheul kommt näher. Zu meiner Rechten sehe ich das Aufblitzen eines Flügels, den Schimmer eines Skelettarms. Ein Wasserspeier schießt über meinen Kopf hinweg und stürzt sich ins Getümmel. Ich erschrecke und drehe nur für einen Moment meinen Kopf, doch das genügt. Ich habe meine Gefährten verloren. Panik erfasst mich. Soll ich nach links oder nach rechts laufen oder geradeaus? Los, Gemma, mach schon. Schnell. Ich renne wild gegen den Nebel an, als könne ich ihn verdrängen. Ich höre kleine erstickte Geräusche – stoßweises Schluchzen – und stelle fest, dass es mein eigenes ist.
    Ein Wasserspeier ist in einen erbitterten Kampf mit einem der geisterhaften Reiter verwickelt. Der Wasserspeier nützt seinen Vorteil und der Reiter sinkt in die Knie. Das grausige Skelettgesicht mit seinen rot-schwarzen Augen raubt mir den Atem. Der Wasserspeier

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