Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
Vom Netzwerk:
habe mich gefragt, ob die Rakschana Sie … ob Sie …«
    »Ob ich tot bin?«
    Ich nicke.
    »Offensichtlich nicht.« Er hebt den Kopf und ich bemerke die dunklen Ringe unter seinen Augen.
    »Geht es Ihnen gut? Haben Sie gegessen?«, frage ich.
    »Bitte machen Sie sich um mich keine Sorgen.« Er beugt sich zu mir und für einen schwindelerregenden Moment denke ich, er will mich küssen. »Und das Magische Reich? Gibt es irgendetwas Neues? Haben Sie die Magie zurückgebracht und das Bündnis geschlossen? Ist das Magische Reich sicher?«
    Er interessiert sich nur für das Magische Reich. Mein Magen ist so schwer, als hätte ich Blei geschluckt. »Ich habe alles im Griff.«
    »Und … haben Sie im Magischen Reich meinen Bruder gesehen? Haben Sie Amar gesehen?«, fragt er mit einem Anflug von Verzweiflung.
    »Nein, habe ich nicht«, sage ich beruhigend. »Also … war es Ihnen nicht möglich, früher zu kommen?«
    Er wendet den Blick ab. »Ich habe es vorgezogen, nicht zu kommen.«
    »Ich … ich verstehe nicht«, sage ich, als mir meine Stimme wieder gehorcht.
    Er steckt die Hände in seine Taschen. »Ich denke, es wird am besten sein, wenn sich unsere Wege trennen. Sie gehen Ihren Weg und ich den meinen. Es scheint, als seien unsere Schicksale nicht mehr miteinander verknüpft.«
    Ich blinzle die Tränen fort. Nicht weinen, um Himmels willen, Gemma. »A-aber Sie haben gesagt, Sie möchten Teil des Bündnisses sein. Gemeinsame Sache mit mir … mit uns … machen …«
    »Ich habe meinen Sinn geändert.« Warum ist er so kalt? Was ist geschehen?
    »Gem-ma!«, ruft Felicity von jenseits des Hügels. »Jetzt ist Elizabeth an der Reihe!«
    »Man erwartet Sie. Hier, ich helfe Ihnen«, sagt er und greift nach dem Fahrrad.
    Ich ziehe es an mich. »Danke, aber ich brauche Ihre Hilfe nicht. Ich nehme einen anderen Weg.«
    Das Fahrrad vor mir herschiebend, laufe ich rasch zurück, sodass er nicht sehen kann, wie tief er mich verletzt hat.
    *
    Ich entschuldige mich unter dem Vorwand, mein Knie zu versorgen. Mademoiselle LeFarge bietet mir ihre Hilfe an, aber ich verspreche ihr, unverzüglich zu Brigid zu gehen und mir Verbandszeug zu holen. Stattdessen laufe ich heimlich durch den Wald zum Bootshaus, wo ich allein sein und ungestört meine tieferen Wunden lecken kann. In dem kleinen Weiher spiegeln sich die langsam dahinziehenden Wolken. »Carolina! Carolina!«
    Eine alte Zigeunerin, Mutter Elena, durchstreift suchend den Wald. Um ihr silbriges Haar ist ein leuchtend blaues Tuch gebunden. Mehrere Ketten hängen um ihren Hals. Jedes Frühjahr, wenn die Zigeuner in diese Gegend kommen, ist Mutter Elena bei ihnen. Es war ihre Tochter, Carolina, die meine Mutter und Sarah in den Ostflügel gelockt hatten, um sie der Winterwelt zu opfern. Der Verlust ihrer geliebten Tochter war mehr, als Mutter Elena ertragen konnte; der Schmerz hat ihren Geist zerrüttet. Ich habe sie noch nicht gesehen, seit die Zigeuner wieder da sind, und mir fällt auf, wie gebrechlich sie ist.
    Im Bootshaus fällt mir ein zufällig an die Wand gelehntes Ruder entgegen. Ich fühle das Gewicht des glatten Holzes in meinen Händen und ein Kribbeln erfasst meinen Körper, ein Gefühl, das ich seit Monaten nicht empfunden habe – der Beginn einer Vision. Jeder Muskel spannt sich an. Ich umklammere das Ruder, während meine Augenlider flattern und das Pochen meines Blutes wie Trommelschläge in meinen Ohren dröhnt. Ein wirbelnder Tunnel aus Licht zieht mich hinab wie ein Sog. Es ist, als sei ich allein hellwach in einem Traum. Bilder rasen vorbei und gehen ineinander über wie in einem sich drehenden Kaleidoskop. Ich sehe die Frau im lavendelfarbenen Kleid wie wild bei Lampenlicht schreiben, ihr schweißnasses Haar klebt an ihrem Gesicht. Geräusche – ein Klageruf. Geschrei. Vögel.
    Das Kaleidoskop dreht sich weiter und ich bin auf den Straßen von London. Die Frau winkt mir, ihr zu folgen. Der Wind weht mir ein Flugblatt vor die Füße. Noch eine Reklame für den Meisterillusionisten Dr. Van Ripple. Ich hebe sie auf und bin in einem lauten Varietétheater. Ein Mann mit schwarzem Haar und einem gepflegten Spitzbart legt ein Ei in eine Schachtel und lässt es innerhalb eines Wimpernschlags verschwinden. Die hübsche Frau, die mich hierhergeführt hat, nimmt die Schachtel und kehrt auf die Bühne zurück, wo sie der Zauberkünstler in Trance versetzt. Er nimmt eine große Schiefertafel zur Hand und mit einem Stück Kreide schreibt die Frau wie besessen darauf: Wir

Weitere Kostenlose Bücher